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(Art. 3), dass sie sofort von sich aus die zur Einführung der
Bundesverfassung, d. h. zur Verwirklichung der darin vorge-
sehenen Organisation, erforderlichen Bestimmungen treffen werde.
Bis zur Konstituierung der Bundesversammlung und zur Wahl
des Bundesrates verblieben nach Art. 13 des Beschlusses der
Tagsatzung über die Einführung der neuen Bundesverfassung
vom :14. Herbstmonat 1848 sowohl die Tagsatzung als der Vor-
ort nebst den ihnen untergeordneten Behörden und Beamten in
ihren Kompetenzen. Die Tagsatzungsmehrheit führte ihren .Be-
schluss aus, doch bedurfte es keiner Gewalt mehr, um die Minder-
heit zur Vornahme der erforderlichen Wahlen zu bringen. Zwar
fanden es Uri und die beiden Unterwalden für gut, „in Anwen-
dung: ihres freien und unbeschränkten Abstimmungsrechtes*
der Aufforderung der Tagsatzung zur Vornahme der Wahlen nur
unter Verwahrung ihrer bisherigen Rechte zu schreiten. Nach-
dem ihre Wahlen kassiert worden, fügten auch diese Stände sich
der neuen Ordnung bedingungslos!. Die staatliche Gestaltung,
wie die Tagsatzungsmehrheit sie erstrebt und verwirklicht hatte,
war ja ohnehin schon vollendete Tatsache.
„Der rechtlich entscheidende Vorgang hei der Gründung
des schweizerischen Bundesstaats. bestand darin, dass im Namen
ihrer Kantone die Gesandten von 16!/, Ständen am 12. Septem-
ber 1848 die Bundesverfassung als angenommen erklärten. Da-
durch kam ein neuer von ihnen unabhängiger Gemeinwille zur
Entstehung, und dieser hat Bundesverfassung und Bundesstaat
ins Leben gerufen“ ?,
So hat also FLEINER die Gesamtaktslehre auf die Entstehung
des schweizerischen Bundesstaats übertragen. In der Begrün-
dung dieser Lehre weicht er in keinem Punkte von KunTze ab;
interessant ist nur, dass er geradezu sagt: die Einzelwillen haben
sich zu einem Gemeinwillen verschmolzen. FLEINER em-
pfindet selbst, dass die Gesamtaktstheorie und die Tatsache, dass
ı FLEINER S. 40. ° FLEINER S. 37.
Archiv für Öffentliches Recht. XX. 2., 13