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geber habe, gestützt auf die Bestimmung in Absatz 3 des Arti-
kels 30 der Verfassungsurkunde das politische Versammlungsrecht
auf solche Versamn.lungen beschränkt, in denen deutsch gespro-
chen werde. Hiernach könne der angefochtenen Verfügung des
Beklagten ein subjektives, der Verfassung entlehntes Recht nicht
entgegengesetzt werden, und dieselbe müsse, da sie im übrigen
nach Lage der Verhältnisse zur Wahrung des Gesetzes und zum
Schutze der öffentlichen Sicherheit dringend geboten gewesen
sei, aufrecht erhalten werden.
Im Gegensatz zu diesen Ausführungen hat sich das Ober-
verwaltungsgericht am 26. September 1876 dem Urteil des Be-
rufungsrichters angeschlossen und seine Entscheidung ebenfalls
ausführlich motiviert. Die Quintessenz dieser letztinstanzlichen
Urteilsgründe ist folgende:
Die polizeiliche Befugnis zur Auflösung einer politischen
Versammlung lediglich wegen Gebrauchs einer anderen als der
deutschen Sprache kann nicht daraus gefolgert werden, dass die
letztere als Geschäftssprache der preussischen Behörden gilt.
Denn die amtliche Funktion der Ueberwachung einer politischen
Versammlung ist, solange das Organ der Aufsichtsbehörde nicht
gegen die Versammlung einschreitet, ein streng einseitiges Ver-
halten und stellt mithin keinen Geschäftsverkehr mit der Ver-
sammlung dar. Ebensowenig aber kann die Auflösungsbefug-
nis für den in Rede stehenden Fall aus dem gesetzlichen Ueber-
wachungsrechte der Polizeibehörde im allgemeinen abgeleitet wer-
den, weil sonst das Versammlungsrecht der preussischen Staats-
bürger dem obrigkeitlichen Ueberwachungsrecht grundsätzlich
untergeordnet und dem freien polizeilichen Ermessen anheimge-
geben wäre. Das aber widerspricht den Artikeln 29 und 30
der Verfassungsurkunde, durch welche die Versammlungsfreiheit
als Grundrecht der Preussen gewährleistet und Beschränkungen
derselben im öffentlichen Interesse nur auf Grund ausdrücklicher
gesetzlicher Bestimmungen zugelassen werden. Solche Normen