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mehr ab- als zugenommen hat, und da das Zusammenleben von
Männern und Frauen ohne förmliche Schliessung des Ehebünd-
nisses trotz aller polizeilichen Ueberwachung nicht selten vor-
kommt, mit dem Gedanken beschäftigen müssen, ob die jetzigen
Vorschriften wohl das zu erreichen geeignet sind, was sie beab-
sichtigen. Der Anreiz, der in der Abfindung mit dem dreifachen
Jahresbetrage der Rente enthalten ist, genügt oft den Beteiligten
nicht, um sie zur Eheschliessung zu veranlassen. Einer Erhöhung
der Abfindungssumme glaube ich trotzdem angesichts der bevor-
stehenden Einführung der allgemeinen Witwen- und Weaisenver-
sicherung nicht das Wort reden zu sollen: Abhilfe wird: besser
in der Weise zu schaffen sein, dass die Weiterzahlung der Wit-
wenrente durch berufungsfähigen Bescheid eingestellt werden kann,
wenn und so lange keine Bedürftigkeit der Witwe vorliegt!. Wird
sie also von einem Manne, der mit ihr zusammenlebt, dem sie
die Wirtschaft führt u. s. w., regelmässig unterhalten, so liegt
kein Grund vor, ihr noch ferner die Witwenrente zu gewähren.
Die Berechnung der Witwenabfindung ist durch die Novelle
von 1900 auf eine andere Grundlage gestellt. Bis dahin war
der dreifache Betrag der im Zeitpunkte der Abfindung tatsäch-
lich an die Witwe geschuldeten Jahresrente massgebend gewesen,
und dieser Betrag konnte, weil wegen grosser Zahl der Kinder
oft eine Rentenkürzung eintritt, hinter 20 v. H. des Arbeitsver-
dienstes des Verstorbenen zurückbleiben ($ 6 Nr. 2a Abs. 2
U.V.G.v.6. Juli 1884). Dem für die Witwe ungünstigen Rechts-
zustande, wonach die ermässigte Rente in solchen Fällen zu-
grunde zu legen war (Amtl. Nachrichten des R.V.Amts
Bd. 4 Nr. 586 S. 301; Rosın, Recht der Arb.-Versicherung Bd. I
S. 416 Anm. 12), hat die Novelle, wie deren Begründung ? aus-
drücklich hervorhebt, ein Ende gemacht; fortan ist, da die nor-
male Witwenrente 20 v. H. des Verdienstes beträgt, das Drei-
i Vgl. betreffs der Eltern eines Getöteten $ 18 Gew.U.V.G.
® Reichstagsdrucksachen 1899/1900, Nr. 523, S. 59.