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gelehnt, dass Renten von weniger als 10% nach der Recht-
sprechung des Reichsversicherungsamts in der Regel überhaupt
nicht gewährt werden sollen, und dass, wenn man bis zu der
Grenze von 10% herabgehe, die Abfindung entweder nicht mehr
praktisch werden oder die Gewährung zahlreicher, wirtschaftlich
ungerechtfertigter Renten unter 10 %, nach sich ‚ziehen werde.
Wohl aber- verstand man sich in der Kommission wie im Reichs-
tage selbst zu der Einschränkung von 15 statt 20 v. H. und
fügte zur Sicherung rechtsunkundiger Rentenempfänger noch
zwei wichtige Ergänzungen hinzu: die Kapitalabfindung, welche
begrifflich hier das beiderseitige Einverständnis mit der Vor-
nahme der Ablösung unter Vorbehalt der Feststellung ihrer Höhe
voraussetzt, darfnur nach Anhörung der unteren Ver-
waltungsbehörde! erfolgen. Dadurch soll dem Gesichts-
punkt Rechnung getragen werden, dass die Kapitalabfindung für
unerfahrene Berechtigte unter Umständen wirtschaftlich gefähr-
lich ist. Man hat angenommen, dass durch diese Massregel die
ausschlaggebenden Verhältnisse rechtzeitig zur Kenntnis der Be-
rufsgenossenschaft gebracht und von ihr in verständiger Weise
berücksichtigt würden, weil verhütet werden inuss, dass entgegen
dem Zweck der Entschädigung durch Rente später der Abfindungs-
empfänger doch der Armenpflege zur Last fällt. Ausserdem ist
in letzter Stunde durch den Reichstag? eingeschaltet, dass der
Verletzte vor Annahme seines Abfindungsvertrages darüber be-
lehrt werden muss, dass er nach der Abfindung auch in dem
Falle keinerlei Anspruch auf Rente mehr habe, wenn sein
! Die Bestimmung, welche Dienststelle als „untere Verwaltungsbehörde*
gelten soll, erfolgt nach $ 152 G.U.V.G. von der Landeszentralbehörde des
Bundesstaates, In Preussen sind im allgemeinen die Landräte, in Städten
von mehr.als 10000 Einwohnern die Magistrate, in Bayern diese oder die
Bezirksämter, in Sachsen die Amtshauptmannschaften oder die Stadträte,
in Württemberg die Oberämter, in Baden die -Bezirksämter zuständig, vgl.
y. WOEDTKE—CASPAR S. 535 fl.
* Sitzung vom 9. Mai 1900, vgl. Stenogr. Berichte S. 5872 A.