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es den Deutschen tatsächlich unmöglich gemacht würde, sich an
der Verhandlung zu beteiligen. Nur bei „privaten“ Versamm-
lungen dürften die Mitglieder so sprechen, wie es ihnen mund-
gerecht sei, und nur bei ihnen habe sich die Polizei durch Wahl
geeigneter Organe in den Stand zu setzen, :ihre Ueberwachung
tatsächlich zu üben. Demgemäss seien für die Auflösungspraxis
der Polizeibehörden die gemischt-sprachigen von den deutsch-
sprachigen Gebieten zu unterscheiden. In den ersteren müsse
der Gebrauch fremder Sprachen, soweit es sich um „private“
Versammlungen handle, zugelassen werden, während er für
„öffentliche“ auszuschliessen sei. In deutsch-sprachigen Gegen-
den aber dürfe auch in privaten politischen Versammlungen nur
deutsch gesprochen werden, denn bier müsse beim Gebrauch
eines anderen Idioms stets die Vermutung platzgreifen, dass es
sich um bewusste Vereitelung der polizeilichen Ueberwachung
handele.
Mit wieder einer anderen Begründung hat sich schliesslich
neuerdings DELIUS !” für das polizeiliche Auflösungsrecht bei
Gebrauch einer Fremdsprache in politischen Versammlungen er-
klärt: Eine schon 1876 vom Oberverwaltungsgericht zurückge-
wiesene Meinung aufnehmend behauptet er, dem Versammlungs-
rechte der Staatsbürger stehe das Ueberwachungsrecht der Exe-
kutive in der Gestalt eines subjektiven Rechtes gegenüber, und
es seien im Falle einer Kollision beider Rechte die Vorschriften
in den 88 95 ff. der Einleitung des Allgemeinen Landrechts
über die Kollision subjektiver Rechte in Anwendung zu bringen.
Hiernach habe dem im $& 4 des Vereinsgesetzes der Ortspolizei
zugesprochenen Ueberwachungsrecht als dem stärkeren das Ver-
sammlungsrecht als das mindere zu weichen, und es könne zum
Schutze des öffentlichen Interesses gefordert werden, dass in der
Versammlung jeder deutsch spreche. Aber selbst wenn man an-
nehmen wollte, dass beide Rechte gleichwertig seien, müsste
17 Juristisches Litteraturblatt 1908, 143.