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Störers oder mangels des dem verletzten Interesse zuzuerkennen-
den Charakters eines absoluten Rechtes unberücksichtigt bleiben
müssen und bei der viel geringeren Gefährdung bleiben können.
Die Erörterungen, die die Schadensersatzpflicht des Staates in
solchen Fällen und in den Fällen polizeilicher oder gesetzlicher
Eingriffe auf gemeinsamer Grundlage behandeln wollen, werden
immer einer gewissen Unfruchtbarkeit verfallen.
In einem die Bedürfnisse wie die Pflichten eines Kultur-
staats, die Opferpflicht der Staatsbürger wie ihren Anspruch auf
Rechtsschutz gleichmässig würdigenden Systeme hat die Praxis
des französischen Staatsrats die Entschädigungspflicht des Staates
und der anderen öffentlichen Anstalten ausgebaut. Worauf stützt
sich diese Praxis? O. MAYER nimmt an, auf „die Billigkeit“, die
„Idee ausgleichender Gerechtigkeit“, welche die Schadloshaltung
dessen erheische, der dem öffentlichen Wohle „ein hesonderes
Opfer“ bringen muss. Von der gleichen Auffassung ausgehend,
erstrebt MAYER die Annahme der Entschädigungspflicht überall;
es ist; „Billigkeitsrecht“, das er verficht, „öffentlich-rechtliche Ent-
schädigung“, um die es sich handeln soll; alles Zivilrecht lehnt
er ab, selbst bei Bestimmung des „besonderen Opfers“. Es ist
OÖ. MayERS nicht hoch genug anzuschlagendes Verdienst, dass
er die Entschädigungsfrage fort und fort unter warmer Berück-
sichtigung der Bedürfnisse des Lebens zum Gegenstande wissen-
schaftlicher Untersuchung gemacht und sie in ihren Verzweigungen
dargelegt hat. Aber seiner Konstruktion möchte .hier nicht zu
folgen sein. |
Allerdings muss die Ersatzpflicht' des Staates in dem oben
umschriebenen Sinne als ein Postulat der Billigkeit anerkannt
werden, aber damit ist eine einklagbare Rechtsverbindlichkeit
noch nicht geschaffen. Auch die französische Rechtsprechung,
der eine ausdrückliche Gesetzesvorschrift ja nicht zugrunde liegt,
hat sich zwar auf der stets betonten Grundlage einer ausgleichen-
den Gerechtigkeit entwickelt, aber dabei an positive zivilrecht-
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