— 299 —
soweit bekannt geworden, bisher fortgesetzt ebenso wie früher
das Reichsgericht entschieden, dass jeder ordnungsgemäss in die
Listen eingetragene Wähler sich als berufen ansehen kann, sein
Wahlrecht auszuüben. So namentlich das preuss. Oberverwal-
tungsgericht. Vgl. Entsch. d. pr. Oberverw.-Ger. Bd. 14 S, 59,
Bd. 27 S. 18, Bd. 31 S. 8, Bd. 36 S. 121. Dies Gericht hat
auch noch weitergehend den Grundsatz aufgestellt und ständig
festgehalten, dass „die rechtskräftige Wählerliste die unabänder-
liche Grundlage für die Wahl bildet und den Eingetragenen,
gleichgültig, ob ihre Eintragung zu Recht oder zu Unrecht er-
folgt ist, das Stimmrecht verleiht“.
Die Strafkammer wird diese Wähler, welche vom O.V.G.
als materiell stimmberechtigt anerkannt sind, aus 8 108 St.G.B.
bestrafen müssen, wenn sie nach seiner Ansicht materiell zu Un-
recht in die Liste. eingetragen sind.
Die neue Entscheidung des Reichsgerichts
bedeutet deshalb eine Wahlbeschränkung und
eine Gefahr für den Wähler bei allen Wahlen
des öffentlichen Rechts.
II.
Das noch nicht veröffentlichte Erkenntnis des 2. Strafsenats
des Reichsgerichts vom 7. Februar 19056 — D. 362/04 — schliesst
sich dem Erkenntnis des 3. Strafsenats vom 11. Juli 1904 (Entsch.
Bd. 37 S. 233) zwar nicht in den Gründen, so doch in dem Er-
gebnis an.
Der 2. Strafsenat sagt: „Als “Wahlhandlung?’ stellt sich nach
den Bestimmungen des Wahlreglements die Summe derjenigen
Akte dar, welche im Wahltermin vorzunehmen sind (88 9, 10,
12, 13, 18, 22 des Wahlreglements vom 28. Mai 1870 Bundes-
Gesetz-Blatt S. 275 ff.), ‘das Ergebnis’ der Wahlhandlung aber
ist, wenn auch die Ermittelung desselben erst nach dem
Wahltermin erfolgt ($ 9 Abs. 1 des Wahlgesetzes vom 31. Mai
1869 Bundes-Gesetz-Blatt 8. 145 ff. und $$ 26, 27, 29 des Regle-
ments), bereits mit der Abgabe der Wahlstimmen gegeben, deren
ziffernmässiges Verhältnis über die Wahl des einen oder andern
Kandidaten als Erfolg der Wahlhandlung entscheidet