Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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tiges Wirtschaftsleben in Produktion wie Konsumtion ist der Weltmarkt. 
indem die moderne Entwicklung die Möglichkeit territorialer Ausdehnung 
der einzelnen Staaten verringert, steigert sie das Bedürfnis der Industrien 
in den einzelnen Staaten, ihren Absatz über die Grenzen ihres Staates aus- 
zudehnen. Das führt zu einem inmer fortschreitenden internationalen Zu- 
sammenschluss der Produktionsinteressen, dem gegenüber die Konsumtions- 
interessen sich gleichfalls nur durch internationalen Zusammenschluss be- 
haupten können. Mit dieser zunehmenden internationalen Verflechtung der 
wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse aller Kulturvölker nimmt 
notwendig auch die Bedeutung der internationalen Rechtabildung ständig 
zu, unter entsprechender Einschränkung der einzelstaatlichen Rechtssetzungs- 
fähigkeit. Die Ueberlegenheit der internationalen über die einzelstaatliche 
Rechtsnorm ist nun aber nicht bloss eine quantitative, insofern jener ein 
weiteres, über die territorialen Grenzen hinausreichendes Geltungsgebiet 
zukommt; sie ist vielmehr auch eine qualitative, insofern eine „eigenartige 
— spezifische — Rechtsbedeutung .... dem internationalen Rechte über- 
haupt in Beziehung auf international sich entwickelnde und ausweitende 
Lebensverhältnisse innewohnt“. Denn die von der einzelstaatlichen Macht- 
organisation ausgehende Rechtssetzuug wird keineswegs ausschliesslich durch 
das immanente Wesen der. von ihr normierten Lebensverhältnisse bestimmt; 
sondern das MaChtinteresse des Staater selbst und die egoistischen Klassen- 
interessen der im Staate herrschenden sozialen Gruppen üben einen mehr 
oder minder grossen, oft den entscheidenden Einfluss aus, wodurch die 
staätliche Rechtasetzung ihrem eigentlichen sozialen Beruf entfremdet wird. 
Zur internationalen Röchtssetzung dagegen muss eine Mehrheit von Staaten 
‚zueammenwirken; und da sowohl deren Machtinteressen wie die in jedem 
Staate einflussreichsten Klasseninteressen verschiedener Art sind, so findet 
von selbst ein Ausgleich statt, der das immanente Bedürfnis der normierten 
Lebensverhältnisse zu reinerer Geltung kommen lässt. „Es liegt in der Na- 
tur der Verhältnisse, dass der eigentliche ‚Rechtscharakter d. h. das allge- 
meine Interesse der regulierten Gemeinschaft- vielfach durch internationale 
Normen in stärkerem Grade gewahrt wird, als durch die steatlichen Nor- 
men.* Doch nicht nur ein reineres, sondern auch ein stärkeres Recht be- 
deutet die internationale gegenüber der staatlichen Norm, Denn letztere 
bleibt stets vom Willen des Staates abhängig, weil der staatliche Wille 
dauernd ist. Weil aber der gemeinsame Schöpfungsakt der internationalen 
Norm vergänglich ist, so ist diese in ihrer Fortgeltung von ihm unabhängig 
und dauernd. „Der Staat, das höchste Machtwesen,. kann dieselbe rechtlich 
durch seinen Willensakt nicht beseitigen.“ 
Man sieht, für K. wird das, was nach der'üblichen Anschauung gerade 
die schwache Seite des Völkerrechts ausmacht, der Mangel oder die grosse 
Unvollkommenheit internationaler Organisation, umgekehrt zur vornehmsten 
Quelle seiner Ueberlegenheit und Kraft. Organisation ist ihm das sekun-
	        
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