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als die Fähigkeit einer Gebietskörperschaft, über ihr Gebiet zu
verfügen (S. 397 und406). Die in dieser Weise — also nicht
nur dem Begriffe, sondern auch der Sache nach anders als vor
allen anderen Schriftstellern — aufgefasste Gebietshoheit glaubt
PREUSS — und dies ist das eigentliche Ziel seiner Ausführun-
gen — als juristisches Unterscheidungsmerkmal des deutschen
Gliedstaates gegenüber der deutschen Gemeinde verwerten zu
können. Jener soll die Gebietshoheit im angegebenen Sinne
haben, diese nicht. Auch wenn nun diese Unterscheidung dem
gegenwärtigen deutschen Verfassung- und Gemeinde-
Rechte entsprechen sollte — was mindestens zweifelhaft ist (vgl.
HAENEL, zur Revision der Methode und Grundbegriffe des Staats-
rechtes im Archiv für öffentliches Recht 5. Band, S. 465) — so
hätte sie gar keinen wissenschaftlichen Wert. Denn es wird
niemandem einfallen, den deutschen Gemeinden Staatscharakter
beizulegen, wenn sie infolge einer Aenderung der Gesetzgebung
jenes Verfügungsrecht über ihr Gebiet erhalten sollten, welches
z. B. den meisten österreichischen Gemeinden jetzt schon zu-
steht. „Steht und fällt aber mit dem angegebenen Kriterium
nicht die Gemeindeeigenschaft — sagt BURCKHARD in seiner
Rezension des PrEussschen Buches in GRÜNHUTS Zeitschrift
1890, S. 455 — dann ist dasselbe eben kein Kriterium...
es ist juristisch gerade so relevant, als wenn es etwa eine reichs-
gesetzliche Bestimmung wäre, alle Grenzpfähle der Gemeinden
seien blau, alle Grenzpfähle der Staaten rot anzustreichen. Blau
und rot der Pfähle wäre dann auch ein tatsächlicher Unter-
schied der Gemeinden und Staaten und juristisch nicht weniger
charakteristisch als der. von PrEuss hervorgehobene.* Doch
nicht darauf. kommt es hier an, ob PREUSS jenes vielgesuchte
Kriterium gefunden hat oder nicht. Uns interessiert nur seine
Auffassung des Gebietes, die selbst. vom Standpunkte FRICKERS,
der von PREUSS wegen seiner Verinnerlichnng der Gebietstheorie
gerühmt wird (S. 274), als eine arge Verballhornung dieses Be-