Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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als ein rein äusserliches auflasst und der Tatsache, dass ein Staat 
ohne Gebiet eben kein Staat ist, ratlos gegenübersteht, weil es für 
ein solches Verhältnis an jeder Analogie im Privatrechte fehlt. 
Die Eigenschaftstheorie hingegen vermag in keiner Weise 
die Gebietscession zu erklären. Weder die Verstümmlungs- noch 
die Vernichtungs-Idee, weder die Theorie JELLINEKs von der 
ausschliesslichen Cession des Imperiums noch die Verwandlungs- 
kunst SEIDLERs können uns darüber hinwegtäuschen, dass, wenn 
irgend etwas unveräusserlich ist, eine persönliche Eigenschaft, ein 
Moment im Wesen der Persönlichkeit unveräusserlich sein muss. 
Die Eigenschaftstheorie muss ferner, um augenscheinlich ab- 
surden Konsequenzen zu entgehen, einen in Wirklichkeit gar 
nicht vorhandenen Unterschied zwischen dem Verhältnis des 
Staates zu seinem Kolonialgebiete und dem Staatsgebiete im enge- 
ren Sinne statuieren. 
Ihr Grundfehler ist aber, dass sie aus einem ganz anderen Ge- 
dankenkreise als dem juristischen stammt und daher dem Konstruk- 
tionsbedürfnisse der Jurisprudenz nicht zu genügen vermag. Denn 
konstruieren heisst doch in erster Linie begreifen, Unbekanntes auf 
Bekanntes zurückführen, die scheinbare Singularität als Spezialfall 
eines gegebenen Typus erkennen. Nun gibt es aber im ganzen Um- 
kreise der Rechtswissenschaft keine zweite Beziehung zwischen einer 
Person und einer Sache, die dadurch charakterisiert wäre, dass die 
Sache ein Moment im Wesen der Person ist. Wenn also mit diesem 
(oder einem sinnverwandten) Ausdruck die Beziehung zwischen Staat 
und Gebiet erklärt werden soll, so ist dies eben keine Erklärung, 
denn diese Beziehung bleibt dann in der Begrifiswelt des Juristen 
ebenso isoliert wie zuvor d. h. unverstanden. Aus welcher Ge- 
dankenregion aber der fragliche Ausdruck herrühri, erkennt man 
daran, dass ein dem Pantheismus huldigender Metaphysiker die 
Welt sehr wohl als ein Moment im Wesen Gottes bezeichnen 
könnte. Wie also die Eigentumstheorie dem öffentlichen 
Rechte, so ist die Eigenschaftstheorie dem Rechte überhaupt
	        
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