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des ganzen Institutes der Auslieferung ist, die Prüfung des Be-
weises jenem Staate zu übertragen, in dessen Gebiet sich das
Beweismaterial befindet, so ist dies genau derselbe Gedanke, auf
dem im Inneren der Staaten die Kompetenz des forum delicti
commissi beruht. Die Analogie zwischen Staat und Behörde
und damit auch die organartige Stellung, die der einzelne
Staat in diesen wie. in vielen anderen Fällen innerhalb der
Staatengemeinschaft einnimmt, springt in die Augen; vollkom-
men: verständlich wird sie aber nur, wenn man zuvor das Staats-
gebiet als örtliche Kompetenzsphäre des Staates und damit als
wesensgleich mit dem Amtsgebiete erkannt hat.
Diese Auffassung des Staatsgebietes erweist sich schliesslich
auch als fruchtbar für die Erkenntnis des Wesens der inter-
nationalen Streitigkeiten. Die Haager Konferenzakte unter-
scheidet bekanntlich drei Arten solcher Streitigkeiten: 1. jene
schweren „Konflikte“, die die Gefahr eines Krieges in sich
bergen, 2. jene minder schweren Differenzen, die auf ver-
schiedener Beurteilung von Tatsachen beruhen, und 3. jene
minder schweren Differenzen, welche rechtlicher Natur
sind, wozu namentlich Streitigkeiten über die Interpretation und
über die Anwendung internationaler Verträge gezählt wurden
(vgl. LammascH, Die Fortbildung des Völkerrechtes durch die
Haager Konferenz S, 14). Man geht wohl nicht fehl, wenn man
annimmt, dass bei der zweiten Gruppe hauptsächlich an völker-
rechtliche Delikte (geringeren (ärades) gedacht wurde. Man
kann daher sagen, dass es sich bei den „minder schweren Diffe-
renzen“ in der Regel um Existenz und Umfang von Forderungs-
rechten ex delicto oder ex contractu handelt, dass die Staaten
mithin bei diesen Streitigkeiten als Rechtssubjekte in Be-
tracht kommen. Für solche Fälle kann man die Analogie mit
den Streitigkeiten von Privatpersonen immerhin gelten lassen.
Ganz anders steht es jedoch mit den internationalen Verwick-
lungen, die durch den Zusammenstoss der Staaten als Träger