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gelangt, verjünge, verengere sich, um zügleich im Innern, gegen-
über den einzelnen Staatsbürgern zu wirken. Bei näherer Prü-
fung erweist sich aber diese Vorstellung als gänzlich verschwommen
und :in sich widerspruchsvoll. Das Ganze, das sich verjüngt, um
in sein 'eigenes Inneres zu treten, kann eben nicht mehr das
Ganze, sondern nur ein Teil desselben sein.
Man sage: nicht, es sei das „geistige Ganze“, welches mit
den wirklichen Teilen des wirklichen Ganzen in Beziehung .trete.
Mit einem solchen Kunstgriffe würden wir den Boden der em-
pirischen Betrachtung verlassen. Und welcher Gewinn damit
erzielt werden könnte, ist nicht einzusehen. Es liegt ja auf der
Hand, dass das „geistige“ Ganze, die. geistige Einheit nichts an-
deres ist als ein Gedankenbild. Ist dieses Bild aber bloss die
Vorstellung des wirklichen Ganzen, so hat es keine eigene ge-
sonderte Existenz, man würde denn Zuflucht nehmen zu einer
blossen Fiktion.
Liesse sich vielleicht das innere Staatssubjekt so erklären,
dass dasselbe bestände aus den Behörden des Verbandes in ihrer
Gesamtheit? Unzweifelhaft würde man so ein Subjekt finden, das
Substanz hat und nicht ein blosses Gedankenbild oder eine Fik-
tion bedeutet!. Allein abgesehen von. der Schwierigkeit, den
Behördenkreis rechtlich zu umschreiben, würden wir damit doch
wieder ein neues Subjekt erhalten, das im Verbande wirkte und
vom Staate, als der Gesamtheit verschieden wäre. Dieser Staat
bedeutete ein Beamtenstaat im Staate.
Konstruiere man das interne Staatssubjekt, wie immer man
will, so kann dasselbe doch niemals identisch sein mit dem wirk-
1 BURCKHARDT, Kommentar der Schweiz. Bundesverfassung, S. 5: „Die
Gesellschaft als rechtlich organisierte Vielheit von Individuen ist der Staat
im weiteren Sinne, nämlich der Staat im Gegensatz zu anderen Staaten;
der Behördenorganismus innerhalb dieser Vielheit ist der Staat im engeren
Sinne, nämlich im Gegensatz zum einzelnen Bürger, welcher den Behörden
gegenübersteht.*