Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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Der Gemeinwille müsste sein Objekt ausserhalb der Gemeinwol- 
lenden suchen. Ein Gemeinwille im Innern des Verbandes ist 
aber überhaupt nicht nachweisbar. Im Gegenteil bemerken wir 
eine Vielheit von einzelnen, besonders wirkenden Willen, deren 
Harmonie: durch das Gesetz zustande gebracht wird. Am ehesten 
könnte man nöch den Willen des Gesetzgebers als Gemeinwille 
bezeichnen; bei näherer Betrachtung ist aber auch dies nicht der 
Fall. In der absoluten Monarchie ist der Wille des Gesetzge- 
bers Wille einer einzelnen Person, ein Wille, der häufig die Bil- 
ligung der grossen Masse der Volksgenossen nicht hat. In der 
konstitutionellen Monarchie wird der Wille des Gesetzgebers durch 
den Willen des Monarchen in Verbindung mit den Beschlüssen 
der .Kammern gebildet; die übrigen Individualwillen werden (we- 
nigstens rechtlich) nicht berücksichtigt, ihr Inhalt ist gleichgültig. 
Selbst in den Kammern trefien wir keinen durch die Mitglieder 
gebildeten Gemeinwillen an; gefordert wird überhaupt nicht ein 
gemeinsamer Wille der Kammermitglieder, sondern nur ein durch 
die Mehrheit der Mitglieder bewirkter Beschluss. In der Demo- 
kratie selbst, wo das Volk zur Abstimmung über die Gesetze 
berufen ist, bedarf es einer Vorlage und es entscheidet wieder 
die Mehrheit. Man hat die Entstehung des Gewohnheitsrechts 
auf einen Gemeinwillen zurückgeführt, allein, abgesehen. von der 
verschwindenden Bedeutung dieser Rechtsbildung, ist es durchaus 
nicht sicher, dass wir es dabei mit dem Ausfluss eines gemein- 
samen Willens der Volksgenossen zu tun haben; wahrscheinlich: 
ist auch hier ursprüngliche Quelle eine primitive Gesetzgebung. 
Die Anordnungen der Verwaltung können kaum als Ausflüsse 
eines Gemeinwillens betrachtet werden; der Inhalt dieser Erlasse 
beruht regelmässig auf Erwägungen technischer Natur und setzt 
eine Ausbildung der die Erlasse bewirkenden Personen voraus, 
die nicht als Gemeingut angesehen werden kann. Aehnlich ver- 
hält es sich auch mit der Willensbildung der Gerichte u. s. w. 
Statt auf Einheit s*+»ssen wir bei Annahme eines internen
	        
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