Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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Staatssubjektes auf unlösbare Widersprüche. Wie ist es zu er- 
klären, dass das gleiche Staatssubjekt heute dasjenige bekämpft, 
was es gestern gewollt? Der „Staat“ bringt z. B. durch sein 
Organ der Regierung eine Gesetzesvorlage ein, die er als höchst 
zweckmässig bezeichnet; hierauf verwirft der nämliche Staat durch 
sein Organ des Parlamentes die Vorlage als eine durchaus ver- 
fehlte. Der „Staat“ verlangt durch seine Organe der Verwal- 
tung finanzielle Mittel als dringend notwendig; der gleiche Staat 
findet aber‘ durch sein Willensorgan der Volksvertretung diese 
Ausgabe als überflüssig. Der „Staat“ wählt durch sein Organ 
der Wählerschaft in einer. Wahlkreise einen Regierungsanhänger, 
in einem andern einen Oppositionellen. Der „Staat“ urteilt durch 
sein Organ des erstinstanzlichen Gerichts einen Fall so, um dann 
durch sein Organ des Gerichtes zweiter Instanz seine erste An- 
sicht zu verwerfen. Der „Staat“ verlangt durch das Organ sei- 
nes Staatsanwaltes die Verurteilung eines Angeklagten und er- 
lässt hierauf durch sein Organ des Gerichts einen Freispruch 
u.8. w. Vom Standpunkt der reinen Körperschaftstheorie aus, 
wonach im Innern des Verbandes gesetzmässiges Walten besteht 
und kein blosses Gewaltverhältnis, ergeben sich keine Wider- 
sprüche. Es ist das Gesetz selbst, welches vorsieht, dass für be- 
stimmte Anordnungen die Uebereinstimmung des Willens selb- 
ständiger Behörden notwendig ist; das Gesetz selbst sieht vor, 
dass das von einem unteren Gerichte selbständig erlassene Ur- 
teil an eine höhere, wieder selbständig urteilende Behörde wei- 
tergezogen werden kann. Das Gesetz lässt den Staatsanwalt 
seine Anträge selbständig formulieren und das Gericht ebenso 
selbständig urteilen u. 8. w. Nur unter Annahme selbständigen 
und doch gesetzmässigen Waltens der mit eigenem Willen be- 
gabten Behörden, nicht aber vermittelst der Fiktion eines all- 
wollenden und einzig selbständigen Staatssubjektes lässt sich die 
rechtliche Harmonie des innern staatlichen Lebens erklären. Dass 
trotz Gesetz es zu inneren Reibungen, zu pathologischen Zu-
	        
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