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Bundesverfassung häufig auf die Ausdrücke: dem Bunde steht
die Gesetzgebung über dieses oder jenes Gebiet zu, der Bund
hat das Recht, dieses oder jenes anzuordnen. Damit will die
Kompetenz der Bundesbehörden gegenüber den kantonalen Kom-
petenzen vorbehalten werden. Da der Verfassungstext durch den
kurzen Ausdruck Reich oder Bund nur das Verhältnis zur glied-
staatlichen Zuständigkeit präzisieren will, so darf nicht ohne wei-
teres darauf geschlossen werden, man habe die Konstruktion eines
internen Bundesstaatssubjektes vornehmen wollen. Art. 17 der
D. Reichsverfassung bestimmt allerdings, dass die Anordnungen
und Verfügungen des Kaisers im Namen des Reichs erlassen
werden; allein der Zweck dieser Vorschrift‘ ist wohl nur der,
herbeizuführen, dass die Anordnungen des Kaisers, der zugleich
König von Preussen ist, deutlich und unzweifelhaft als bundes-
staatliche Erlasse hervorgehoben werden. Es ist nicht anzu-
nehmen, dass die Verfassung, in Anlehnung etwa an die politische
Theorie von Hugo Grotius, eine juristische Konstruktion habe
aufstellen wollen, wonach das Reich staatsrechtliche Persönlich-
keit nach innen habe und der Kaiser deren Vertreter sei. Ganz
deutlich geht der Zweck der Gegenüberstellung der Reichssache
einerseits und der gliedstaatlichen Angelegenheit andererseits
hervor aus Art. 45. Hier wird die Kompetenz in Eisenbahn-
angelegenheiten dem Reiche, d.h. den Reichsbehörden zugewiesen
und damit die einzelstaatliche Kompetenz ausgeschlossen. Keine
andere Bedeutung als die der Hervorhebung der bundesstaat-
lichen Zuständigkeit gegenüber den. Gliedstaaten hat auch der
Ausdruck The United States in der nördamerikanischen Bundes-
verfassung.
Der Bundesstaat als Verbindung sowohl der einzelnen Staaten
als auch der einzelnen Bürger tritt nach aussen, im völkerrecht-
lichen Verkehr als Persönlichkeit auf. Man kann aber nicht den ge-
samten Bundesstaat, dessen Teile ja auch die einzelnen Staaten
sind, wieder den letzteren gegenüberstellen. Es wäre dies nur
Archiv für öffentliches Recht. XX. 8 26