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gane; der Gesetzgeber hat überhaupt nur das eigene Interesse,
als verfassungsmässiges Organ des Staates angesehen zu werden.
Für den Gesetzgeber besteht der Anspruch, als Gesetzgeber zu
gelten; diesem Anspruch entspricht die Pflicht der übrigen Or-
gane und auch der Genossen, den Gesetzgeber als solchen an-
zuerkennen. Durch Gesetzesübertretung wird aber nicht dieser
Anspruch und diese Pflicht verletzt. Der Anspruch des Gesetz-
gebers auf seine Respektierung als gesetzgebendes Organ wird
nur verletzt durch Nichtanerkennung, bezw. Hinderung der Be-
rechtigung zum Gesetzeserlasse. Wenn aber der einzelne das Ge-
setz übertritt, so tut er dies nicht, weil er die Giltigkeit des Ge-
setzes bestreitet, sondern weil er sich an das Gesetz nicht halten
will. Bei Gesetzesübertretungen werden die Ansprüche der ge-
mäss dem Gesetzesinhalte als berechtigt Erscheinenden und die
diesen gegenüberstehenden Pflichten verletzt. — Was das Straf-
recht anbetrifft, so begründet es neben den Pflichten auch Rechte
der Einzelnen und zwar nicht bloss derjenigen Einzelnen, die durch
das Delikt speziell verletzt werden, sondern aller übrigen. Jeder
Genosse hat gemäss dem Strafrechte grundsätzlich einen Anspruch
darauf, dass sein sittliches Empfinden, soweit das Gesetz Inter-
essen ethischen Inhaltes anerkennt, nicht verletzt werde; dieser
Anspruch tritt allerdings in den Hintergrund gegenüber dem An-
spruch des unmittelbar Betroffenen und verschwindet bei blossen
polizeilichen Vorschriften fast ganz. — Zutreffend sind die Aus-
führungen BIERLInGs (Prinzipienlehre III S. 184 ff.), dass jede
Verletzung subjektiver Rechte auch eine Uebertretung objektiven
Rechts bedeute. Es scheint mir überhaupt der Schluss gerecht-
fertigt: zu sein, dass alles objektive Recht sich .auflöst in der
Verleihung subjektiver Rechte und Pflichten, dass kein Rechts-
satz denkbar ist, der nicht restlos aufgeht in der Begründung
von Rechten und Pflichten für einzelne oder für Organe des
Staates.