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heiraten, wegen ihrer Unsittlichkeit ungültig sind; vielmehr sind
sie deshalb zulässig, weil sie auf ein in hochadligen Kreisen
rechtsbeständliches Institut verweisen und daher ihre Tendenz
keine unzulässige Einwirkung auf die persönliche Freiheit ent-
hält. Solche Verbindlichkeiten sind eher als „verdeckte Primo-
geniturordnungen oder Erbfolgenormen“ ! aufzufassen.
Endlich ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Hochadliger
eine Missheirat eingeht, später aber, um die Rechtlosigkeit von
Gemahlin und Kindern zu verringern, ihnen Rang und Titel so-
wie eine Abfindungssumme im Vertrage zusichert. Dies geschah
z. B. bei der Ehe? des Prinzen Ferdinand von Bayern mit der
Lakaientochter Marie Pettenbeck vom 23. September 1588.
So ist die morganatische Eheform in allen Fällen der beste
Ausweg, um Unannehnlichkeiten oder Streitigkeiten in der Erb-
folge aus dem Wege zu gehen, da sie dem hochadligen Manne,
der nicht ohne Lebensgefährtin bleiben, aber auch nicht sünd-
hafte Verhältnisse unterhalten will, ein eheliches Leben zu füh-
ren gestattet. „In so weit können solche morganatische Ehen selbst
mit günstigen Augen angesehen werden, obgleich sonst alle Miss-
heirathen wegen der daraus entstehenden Verwandtschaften und
anderer unangenehmen Folgen ? jedem fürstlichen und gräflichen
Hause nicht anders als äusserst verhasst seyn können“ *.
Eine vorzügliche Bestätigung all der Gründe, welche einen
Hochadligen zur Eingehung einer Ehe zur linken Hand veran-
lassen können, gibt eine hessische Chronik ® aus dem Jahre 1311,
ı KoHLeR, Handbuch des deutschen Privatfürstenrechtes der vormals
reichsständischen, jetzt mittelbaren, Fürsten und Grafen. Sulzbach 1832,
S. 168.
?2 S. Lonıe, Teutsches Reichsarchiv. Leipzig 1710/14, pars spec. contin.
II (Tom. VII) S. 150.
® Gemeint sind die Standeserhöhungen.
* POTTER, Ueber Missheirathen Teutscher Fürsten und Grafen, Göt-
tingen 1796 S. 3.
5 Vgl. ScHMINoKg, Monumente Hassiaca, Cassel 1747—65, T.II S. 458.
(Ungenau wird der Titel von POTTER, a. a. 0. S.49 und ihm folgend SoHULZE,