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text genau und zutreffend geschildert sei. Für die Unrichtigkeit
letzterer Ansicht glaube ich in meiner schon mehrfach erwähnten
Abhandlung den Beweis erbracht zu haben, das Unzutreffende
der ersten Ansicht aber im folgenden nachweisen und somit die
hier vertretene Auffassung rechtfertigen zu: können.
Die Frage, ob die Nupturienten, die eine morganatische Ehe
eingehen wollen, einander unebenbürtig sein müssen, oder ob
eine solche auch zwischen ebenbürtigen Personen zuzulassen sei,
ist eine der bestrittensten auf dem gesamten Gebiete der Rechts-
wissenschaft, über die noch heutigen Tages keine Einigung er-
zielt wurde. An diesen Streitpunkt schliesst sich die weitere
Frage, ob eine Ehe zur linken Hand zwischen standesungleichen,
aber doch ebenbürtigen Personen möglich sei, was je nach der
Stellungnahme zu der ersten These unterschiedlich zu beant-
worten ist.
Von älteren Schriftstellern ist als Autorität MOSER! zu
nennen, der morganatische Pacta zwischen standesgleichen Per-
sonen für zulässig hielt: „weil es .l. mehr Juris permissivi als
praeceptivi ist, dass die Kinder grosser Herren den Väterlichen
Stand und Güter erben, 2. weil ordentlicher Weise allemal das
Interesse publicum des Hauses und Landes mit darunter versiret,
wenn Ehen unter dergleichen Pacto eingegangen werden, 3. haben
wir in Teutschland nur zu vil Standespersonen; es entgehet also
dem Publico gar nichts, sondern ist ihm vilmehr ein Dienst,
wann ihre Anzahl gemindert wird“. Diese Beweisführung Mo-
SERS ist insofern interessant, als er die Lösung eines juristischen
Problems zum Teil durch ethische Beweisgründe herbeizuführen
sucht. ‘Dass aber auch seine juristischen Argumente nicht stich-
haltig sind, wird unten nachzuweisen sein.
Derselben nach MosERs Urteil „gemeinen Meinung“ waren
ı S. Fämilien-Staats-Recht derer Teutschen Reichsstände, Frankfurt u.
Leipzig 1775, T, 2. S. 167.