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unter diesem Gesichtspunkt ist die im vorigen Abschnitt ange-
führte Bestimmung des Hannoverschen Hausgesetzes vom 19. No-
vember 1836 (Kap. 3 $ 9) verständlich, und es leuchtet gleich-
zeitig die Unrichtigkeit der Moserschen Behauptung ein, dass
eine präzeptive Norm der Standesgleichheit nicht entgegenstünde.
Somit kann heute nur dann eine morganatische Ehe abge-
schlossen werden, wenn ohne einen solchen Vertrag das Ver-
hältnis eine Missheirat wäre, d. h. wenn wegen der Unebenbür-
tigkeit des einen Ehegatten die vollen rechtlichen Wirkungen ipso
Jure ausbleiben.
Gibt es nun aber Ehen, bei welchen die Gatten nicht dem-
selben Geburtsstande angehören und doch einander ebenbürtig sind?
Moser! und viele andere Gelehrte ® nach ihm bejahen diese
Frage, indem sie ausführen, dass die Ehe eines Hochadligen mit
einer Dame aus niederem Adel keine Missheirat sei. Dieser
Auffassung huldigte auch das preussische Obertribunal?, sowie
neuerdings das Reichsgericht. Nach dieser Theorie gäbe es
zwei Arten von morganatischen Ehen und zwar: 1) eine solche,
die auch ohne morganatische Klausel eine Missheirat sein würde,
nämlich die Ehe zur linken Hand eines Hochadligen mit einer
Bürgerlichen, und 2) eine andere, die ohne den beschränkenden
Vertrag volle Wirksamkeit hätte, wie die Ehe zur linken Hand
eines Hochadligen mit einer Person aus niederem Adel.
und nach dem damit übereinstimmenden Sinne der neuesten Wahlkapitu-
lationen“ (gemeint sind diejenigen Karls VII. und Leopolds II. s. meine
Schrift S. 39) „über allen Zweifel erhoben ist“.
ıA.2.0.T.2S. 27 ff,
2 EICHHORN a. a. O. S. 705 und Anm. i, GENGLER a. 8. O. S. 488,
H&ErFFTER a. a. OÖ. S, 119, KLÜBER, Oeffentliches Recht des Teutschen Bun-
des und der Bundesstaaten, Frankfurt a./M. 1840 $ 303, REHMm a. a. O.
S. 166, SCHRÖDER, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Leipzig 1898
S, 763, STOBBE a. a. O. Bd. 4 S. 55. ZoEPFL a. a. O. S. 89.
8 Präjudiz des Obertribunals zu Berlin vom 29. Januar 1846 (in Koch,
Allgemeines Landrecht, Berlin und Leipzig 1886, Bd. 3 S. 13 N. 35).
* Urteil des 2. Zivilsenats vom 5. Dezember 1893 (Bd. 82 N. 38 S. 150 ff.).