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Nach. richtiger Ansicht ! ist dagegen die obige Frage zu ver-
neinen, denn eine standesungleiche Ehe eines Hochadligen ist
stets eine Misseheirat. Selbst wenn sich: in einzelnen reichsgräf-
lichen‘ Häusern eine mildere Observanz gebildet haben sollte,
welche die Ehen mit Personen. des niederen Adels für ebenbür-
tig hält, so:sind derartige Grundsätze niemals Bestandteile des
gemeinen Privatfürstenrechts- geworden, welches für alle hoch-
adligen Häuser subsidiär bindende Normen enthält. Denn es
hätte schon genügt, dass ein einziges reichsfürstliches Haus an
dem strengen Ebenburtsprinzip festhielte — und in Wahrheit
sind, es ihrer. fast alle — um zu verhindern, dass die milderen
Grundsätze sich zu einem gemeinen Herkommen herausbilden.
Um so viel weniger können spezielle Hausobservanzen der Mi-
norität jemals der Majorität zum Nachteile gereichen.
‚Auch heute noch gilt für den hohen ‘Adel der vor mehr als
600 Jahren gefällte. Ausspruch 2: „Ez ist nieman sempervri wan
des vater und muoter sempervri wären“. Denn zu allen Zeiten
ist dieses strenge Ebenbürtigkeitsprinzip der Standesauffassung
des hohen Adels eigentümlich gewesen ®.
Diese. Auffassung wird m. E. keineswegs durch den Schieds-
spruch des Reichsgerichts vom 25. Oktober 1905 widerlegt, der
ı BESELER, System des gemeinen deutschen Privatrechts Bd. 3 Berlin
1885 $ 171, v. GERBER a. a. O. S. 455, "Anm. 15, Gm&eKe a. a. O. Bd. 1
S. 403, 404, GÖHRUM, Geschichtliche Darstellung der Lehre von der Eben-
bürtigkeit nach gemeinem deutschen Rechte, Tübingen 1846, Bd. 2 S. 895,
v. KIiRCHENHEIM, Lehrbuch des deutschen Staaterechts, Stuttgart 1887,
8. 191, KOHLER a. a. O, 8. 182, Meyer, Lehrbuch des deutschen Staats-
rechts, Leipzig 1899 S. 240, Porrze a. a. O. 8. 444, ScHuze, Lehrbuch
des deutschen Staatsrechts, Leipzig 1881, Bd. 1 8. 220, STOERK, die agna-
tische Thronfolge im Fürstentum Lippe, Berlin 1908,. S. 108. — BOLLMANN
a. 8. O. S, 67.
3 Schwabenspiegel, Landrechtebuch (Ausgabe von WACKERNAGEL) 57
2. 25.
® Zum: Beweise dafür vgl. das Testament des Herzogs Ernst Ludwig
von Sachsen-Meiningen in meiner Schrift 8. 34.