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ohne ihn auf Grund einer gesetzlichen Notwendigkeit eintreten?
Dies Bedenken trifft richtig die negative Seite des Vertrags.
Doch ist dies nicht sein ganzer Inhalt. Denn neben dem, was
er Frau und Kindern als gesetzliche Folge der Missheirat ab-
spricht, hat er noch eine positive Seite; und diese macht ihn
daseinsberechtigt und sogar wünschenswert im Interesse der Klä-
rung der Rechtslage. Dieser positive Inhalt nämlich bezieht sich
auf alle die Vorzüge, die Frau und Kindern an Stelle der ab-
erkannten Rechte zu erkannt werden sollen. Seine Tendenz ist
eine humane und gerechte, indem sie darauf abzielt, die schroffen
Gegensätze, die die Missheirat mit Gesetzesnutwendigkeit zwi-
schen den Ehegatten aufrichtet, zu mildern und abzuschwächen.
Weil demnach die Ehe zur linken Hand Frau und Kindern
neben den notwendigen Nachteilen auch positive Vorteile! ge-
währt, so ist sie unbedingt der gewöhnlichen Missheirat vorzu-
ziehen.
Seinem Wesen nach, ist der morganatische Ehevertrag ein
„erbdingender“, wenn man die Terminologie GENGLERs ? gebrau-
chen will. Dies bedeutet, dass er nicht bloss die Verhältnisse
der Gatten während der Ehe, wie die einfachen Eheverträge,
regelt, sondern auch gleichzeitig die Folgen bestimmt, welche für
den Todesfall der Ehegatten eintreten sollen. Auch das BGB.
kennt solche erbrechtlichen Eheverträge, indem es bei ihnen die
im Gegensatz zu gewöhnlichen Erbverträgen leichtere Form der
Eheverträge für ausreichend erachtet ($ 2276 Abs. 2).
Die Ansicht DERNBURGS°®, dass heute die gemeinrechtliche
Ehe zur linken Hand nur noch auf Grund der Unebenbürtigkeit
ı S. das bayrische Familienstatut von 1819, welches von „den nach äl-
teren Herkommen und Familienverträgen zugestandenen Vortheilen einer
Ehe zur linken Hand“ spricht (vgl. oben).
? GENGLER a. a. O. 507.
® Das bürgerliche Recht des deutschen Reichs und Preussens. Halle
&./S. 1903. Bd. 4 S, 3 und 4.