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Zur Begründung des letzteren Antrags wird
1. die Ebenbürtigkeit der Ehe des Grafen Wilhelm Ernst
mit Modeste von Unruh bestritten und deshalb sämtlichen Mit-
gliedern der Linie Lippe-Biesterfeld die Thronfolgefähigkeit ab-
gesprochen;
2. die Ehe des verstorbenen Graf-Regenten Ernst, geschlossen
am 16. September 1869 mit Karoline Reichsgräfin von Wartens-
leben, aus welcher Ehe der gegenwärtige Graf-Regent, dessen
Söhne und dessen Brüder abstammen, sowie
3. die Ehe des Grafen Rudolf mit Luise Prinzessin von Ar-
deck, wegen Mangels der Ebenbürtigkeit, letztere Ehe daneben
auch wegen mangelnden landesherrlichen Konsenses angefochten;
4. Die Ehe des Grafen Friedrich Wilhelm mit Gisela Grä-
fin zu Isenburg-Büdingen in Meerholz zwar als ebenbürtig an-
kannt, aber deshalb beanstandet, weil sie ohne Zustimmung des
Landesherrn geschlossen sei und deshalb der vollen Wirksam-
keit entbehre.
Es fragt sich demnach, ob die bezeichneten Ehen dem Lippi-
schen Hausrecht entsprechen. In Ansehung des an erster Stelle
erhobenen Einwandes bedarf es jedoch der Prüfung, ob dieser
Einwand noch zulässig ist, oder ob der Schiedsspruch vom 22. Juni
1897 im Wege steht, dessen rechtsverbindliche Kraft geltend zu
machen der Herr Graf-Regent Leopold in Artikel I des neuen
Schiedsvertrags sich ausdrücklich vorbehalten hat. Zu erörtern
ist daher:
I. Die Tragweite des Schiedsspruchs vom 22. Juni 1897.
Die Ebenbürtigkeit der im Jahre 1803 geschlossenen Ehe
des Grafen Wilhelm Ernst zur Lippe-Biesterfeld mit Modeste
von Unruh war bereits in dem ersten schiedsgerichtlichen Ver-
fahren Gegenstand des Streites.. Wegen der Abstammung aus
dieser Ehe wurde damals die Thronfolgefähigkeit der Linie
Lippe-Biesterfeld bestritten; von Schaumburg-Lippe, weil, naclı
deutschem Reichsrecht und Lippischem Hausrecht hoher Adel
der Frau oder doch Kaiserliche Ebenbürtigkeitserklärung Er-
fordernis der Ebenbürtigkeit sei, von Lippe-Weissenfeld, weil bier-
für nach Lippischem Hausrechte zwar niederer Adel genüge,
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