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älteren Nebenlinien und die Beantwortung der Frage, ob die
älteste, also die Biesterfelder Linie, berufen sei, hing von dem
Geeburtsstande der Modeste von Unruh, dann aber davon ab,
welches Recht der Ebenburt im Hause Lippe gelte. Es han-
delte sich mithin nicht um die Person des ‚Grafen Ernst allein,
sondern um seine Linie und um Fragen des Ebenburtsrechts,
die für das ganze Haus Lippe von Bedeutung waren. An der
Entscheidung hatte endlich auch das Land ein wesentliches und
sehr dringendes Interesse, zumal der Streit schon lange. gewährt
hatte. Diese Sachlage erklärt es, dass der Bundesrat sich für
einen Vertrag verwandte, der eine Entscheidung durch ein Schieds-
gericht unter dem Vorsitze Seiner Majestät des Königs von
Sachsen herbeiführen sollte. Hingegen ist es nicht denkbar, dass
dies geschehen sei mit dem Vorbehalte, es dürfe schon bei dem
zweiten 'Ihronwechsel der gesamte Streit von neuem beginnen
und müsse nochmals entschieden werden. Das damalige Schieds-
gericht ist vielmehr, wie mit Grund nicht bezweifelt werden kann,
in der Ueberzeugung, die ihm vorliegenden Streitfragen endgiltig
zu erledigen, an seine Aufgabe herangetreten und es würde
schwerlich das Schiedsrichteramt übernommen haben, wenn ihm
eine Entscheidung angesonnen wäre, die nur die Bedeutung einer
vorläufigen Regelung haben sollte und in dem Falle, dass der
bezeichnete Thronfolger vor dem damals regierenden Fürsten
starb, sogar völlig gegenstandslos geworden wäre.
Wenn nun der Spruch dahin lautete, der Graf Ernst zur
Lippe-Biesterfeld sei berufen, so ist der genannte Herr für thron-
folgeberechtigt erklärt, indem und weil die im Jahre 1803 zwi-
schen seinen Grosseltern geschlossene Ehe als dem Lippischen
Hausrecht entsprechend anerkannt worden ist. Damit ist die
Ebenbürtigkeit sämtlicher Abkömmlinge aus dieser Ehe, wenn
ihnen nicht etwa andere Gründe entgegenstehen sollten, fest-
gestellt.
Das nämlich ist die Bedeutung des Spruches, der dem Willen
der Vertragschliessenden entsprechend darauf abzielte, den unter
den Linien herrschenden Streit zu entscheiden. Graf Ernst ist
mithin in seiner Eigenschaft als Mitglied der Familie Biesterfeld