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In der Hauptlinie des Hauses sind allerdings Eben regel-
mässig nur mit Damen aus solchen Familien geschlossen worden,
die reichsunmittelbaren Besitz und Reichsstandschaft hatten, mit-
hin zu denjenigen gehörten, welche nach der im 18. Jahrhundert
zur Herrschaft gelangten Begriffsbestimmung den hohen Adel
ausmachten. Als Abweichungen könnten nur die Ehen in Frage
kommen, die von Angehörigen dieser Linie in den Jahren 1666,
1695 und 1713 mit Burggräfinnen von Dohna, 1705 mit einer
Gräfin von Kunowitz und 1773 mit der verwitweten Frau von
Trotha geborenen von Trotha eingegangen sind. Die Häuser
der zuerstgenannten Damen wurden aber, jedenfalls nach einer
vielvertretenen Ansicht, den reichsständischen gleichgeachtet, und
die Frau von Trotha war vor der Eheschliessung auf ein mit
Genehmigung des regierenden Grafen zur Lippe an den Kaiser
gerichtetes Gesuch in den Stand einer Reichsgräfin erhoben wor-
den, was die Deutung zulässt, dass die Standeserhöhung nach-
gesucht wurde, um den Mangel der Vollbürtigkeit auszugleichen.
Es würde daher aus der in der Hauptlinie befolgten Uebung ent-
nommen werden können, dass im Hause Lippe das strenge Eben-
burtsrecht gegolten habe, wenn anzunehmen wäre, dieser Uebung
habe die Rechtsüberzeugung zugrunde gelegen, dass nur Ehen
mit Damen aus dem Kreise des hohen Adels ebenbürtig seien.
Einer solchen Annahme stehen jedoch Umstände gegenüber, welche
das Gegenteil dartun und jene Uebung als eine Tatsache er-
scheinen lassen, die sich daraus erklärt, dass die regierende Linie
in der Lage war, Ehen nur mit Damen des Hochadels einzu-
gehen, der aber die Bedeutung der Aeusserung einer Rechts-
überzeugung für das Gesamthaus nicht zukommt.
Vor allem spricht hierfür die im Jahre 1722 erfolgte, schon
erwähnte Eheschliessung des Grafen Friedrich Ernst zur Lippe-
Alverdissen mit Philippine Elisabeth von Friesenhausen, aus
welcher Ehe die jetzt lebenden Angehörigen der Linie Schaum-
burg-Lippe abstammen. Die Dame war von niederem, nicht ti-
tuliertem Adel. Ihre Nachkommen würden mithin, wenn im
Hause Lippe das strenge Ebenburtsrecht gegolten hätte, nicht
als Agnaten des Gesamthauses geboren sein. Allerdings wurde