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stellern geflissentlich ignoriert; sobald von irgend einer staatlichen Einrich-
tung, einer staatlichen Tätigkeit die Rede ist, werden sie von der Staats-
gewalt, den Hoheitsrechten, dem „publizistischen* Charakter geblendet und
fasziniert und sie können die Kluft zwischen „öffentlichem“ Recht und an-
derem Recht nicht weit genug machen, auch wo eine solche Kluft gar nicht
vorhanden ist, In der Errichtung sehr zahlreicher Behörden und in ihrer
Ausstattung mit einer Zuständigkeit, welche in die Rechtssphären der Un-
tertanen, Kommunen und anderer Rechtssubjekte eingreift, liegt zweifellos
eine Ausgestaltung der Rechtsordnung, eine Erweiterung, Begrenzung, nähere
Bestimmung von staatlichen Hoheitsrechten, also Schaffung objektiven Rechts,
und daher erfolgen diese, in der Tat rechtsetzende Akte in der Form der
Gesetzgebung ; aber daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass
auch die Errichtung von Behörden, deren Aufgabe mit der Handhabung
von staatlichen Hoheitsrechten gar nichts zu tun hat, sondern z. B. Erd-
beben zu beobachten und zu registrieren oder historische Denkmäler kritisch
herauszugeben hat, eine Veränderung der Rechtsordnung in sich schliesse.
Der Verf. verfällt nun aber noch in einen andern, viel verhängnisvolle-
ren Fehler. Er stellt sich auf den Boden, der besonders von HÄNEL ver-
tretenen Lehre (S. 19), dass alles, was in die Form des Gesetzes gekleidet
ist, auch einen Rechtssatz darstellt, dass jedes Gesetz zu dem ihm notwen-.
digen Inhalt einen Rechtssatz hat. Wenn man sich zu diesem Glaubens-
satz bekennt, so würde man eine sehr einfache Lösung des Problems haben:
alle in der Form des Gesetzes erlassenen, die Organisation irgend einer
Behörde betreffenden Vorschriften sind Rechtssätze, auch wenn sie nur die
Zahl der Knöpfe oder die Stickerei an der Umiform der Beamten betreffen
sollten; alle ohne diese Form erlassenen Vorschriften über die Einrichtung
der Behörden sind Verwaltungsordnungen, Denn nach dieser formellen Auf-
fassung des Gesetzes- und Verordnungsbegriffs muss ja der Inhalt der Form
adäquat sein. Diese Aneicht ist nun schon in ihrer pasitiven Anwendung
unzutreffend, wie bereits erwähnt; denn die Gesetzesforn kann aus ganz
anderen -Gründen als aus der rechtlichen Relevanz des Inhalts gewahlt wer-
den, z. B. wegen der finanziellen Wichtigkeit, mit Rücksicht auf die budget-
mässige Ausgabenbewilligung, wegen der sozialen, politischen, wirtschaft-
lichen Bedeutung u. s. w. Ganz besonders aber versagt sie in negativer
Richtung. Denn in Preussen und anderen deutschen und ausserdeutschen
Staaten wird die Organisationsgewait bald in der Form des Gesetzes bald in
der der landesherrlichen Verordnung ausgeübt; wäre aber jede Einrichtung
und Zuständigkeitsbestimmung einer Behörde ein objektives Recht schaffen-
der Akt, so wäre diese Doppelform prinzipwidrig und im Widerspruch mit
dem konstitutionellen Grundprinzip. Der Verfasser sieht sich daher. zu dem
Eingeständnis genötigt, dass das positive Recht Preussens (und wie hinzu-
zufügen ist, auch anderer Staaten) mit seiner Theorie nicht übereinstimmt.
Indem sich der Verf. nun einer sehr rühmenswerten Untersuchung des
Archiv für öffentliches Becht. XX. 4. 38