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fahren der House of Commons beschäftigt, so wird doch die Beziehung
dieser Körperschaft zum House of Lords und die Arbeitsteilung zwischen
den beiden Häusern und ebenso das Verhältnis der beiden Häuser zu den
anderen Staatsorganen in so ausgiebigem Masse erörtert, dass das Buch
als zuverlässiges Handbuch über das gesamte parlamentarische Verfahren
und über die staatsrechtliche Stellung der beiden Körperschaften benutzt
werden kann.
Sowohl bei der historischen Schilderung als bei der Darstellung des
gegenwärtigen Zustands beweist R. nicht nur seine reiche Kenntnis der
Quellen und der staatsrechtlichen Literatur, sondern auch den praktischen
Blick für die charakteristischen Tatsachen, der für die richtige Erkenntnis
englischer Verhältnisse ebenso unentbehrlich ist wie der Fleiss und die
Genauigkeit des Forschers. Dass er darauf verzichtet, die Ergebnisse seiner
Forschung in juristische Formeln einzuzwängen, dass er die Entwickelung
auf historische und politische Faktoren zurückführt und nicht auf die
Einwirkung theoretischer Schulmeinungen, ist ein weiterer Beweis dafür, dass
er ein Kenner der englischen Volkseigentümlichkeiten und des englischen
öffentlichen Lebens ist.
Es liegt in der Natur der Sache, dass sich in einem ausführlichen
Werke über einen so vielverzweigten Gegenstand einzelne Stellen finden,
welche verbesserungsbedürftig erscheinen. So kann z. B. der Berichter-
statter nicht mit der auf S. 529 ausgesprochenen Ansicht übereinstimmen,
nach welcher der Begriff der englischen Parlamentsakte „grundverschieden
ist von den auf dem Kontinente herrschenden Gesetzesbegrifien“. Die als
Beleg zitierte Stelle aus ILBrrTs „Legislative Methods and Forms“ erwähnt
nur, dass die englischen Gesetze 'sich mehr mit Aenderungen im Verwal-
tungsmechanismus als mit eigentlichen Rechtsänderungen befassen, eine
Angabe, die in dem Sinne, in welchem sie offenbar gemeint ist, auch in
Bezug auf die festländischen Gesetze anwendbar wäre und die jedenfalls
nur den Inhalt der Gesetze nicht aber den „Gesetzesbegriff“ als solchen
berührt. Die Bemerkung auf S. 733, nach welcher es als eine englische
Eigentümlichkeit dargestellt wird, „dass auch jeder einzelne, der in Ver-
folgung seiner Sonderinteressen, über die ihm durch. das Common Law und
die allgemeinen Gesetze gewähren, privaten Rechtskreises hinausstrebt, zur
Legalisation seines Tuns besonderer Erlaubnis des Gesetzgebers bedurfte“
behauptet ebenfalls einen Gegensatz zwischen englischem und festländischem
Rechte, der in Wirklichkeit nicht besteht. Es gibt wohl keinen zivilisierten
Staat, in welchem es erlaubt wäre ohne gesetzliche Ermächtigung in die
Rechtssphäre eines anderen einzugreifen. Das Charakteristische der eng-
lischen „Private Bill Legislation“, auf welche sich die zitierte Stelle be-
zieht, besteht nicht in der Anerkennung der Notwendigkeit gesetzlicher Er-
mächtigung für ein derartiges Eingreifen (z. B. bei der Enteignung), sondern
in dem eigentümlichen kontradiktorischen Verfahren, in welchem die gesetz-