Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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eonen ist vorausgeschickt, um dafür die massgebenden Gesichtspunkte zu 
gewinnen. Ein einleitender Abschnitt über „die Persönlichkeit im alige- 
meinen® fixiert zunächst das Problem und nimmt insbesondere Stellung zu 
der bekannten Theorie GIERKESs, sowie zur Lebre vom Organ. 
Der zweite Abschnitt beginnt mit einer knapp und kräftig durchge- 
führten Auseinandersetzung über das grosse Thema „das Recht* und gibt 
alsdann die Lehre von der „Vertretung“. Diese ist für die Anschauungen 
des Verfassers von grosser Wichtigkeit. Vertreter ist, wie er schon 
vorher festgestellt hat, im wesentlichen das nämliche, was man bei einem 
Verbande ein Organ nennt. Vertreter ist, wem eine gewisse Macht, zu- 
steht, die er zur Förderung des Lebens anderer, einzelner oder vieler, ver- 
wenden soll. Diese Macht ist seine Zuständigkeit, sein eignes Recht. Zu 
ihrer zweckgemässen Verwendung ist der Vertreter verpflichtet, er schuldet 
das dem Vertretenen, er wird tätig in deesen Dienste. Das sind Rechts- 
pflichten, auch wo ein Zwang nicht stattfindet, denn das Recht hat nicht 
notwendig Zwangscharakter; auch das oberste Organ der Gemeinschaft, der 
unverantwortliche Monarch, hat diese Rechtspflicht, auch er ist „Ver- 
treter“ der Staatsangehörigen in diesem Sinne (S. 95). Die Vertretung ist 
nicht notwendig Stellvertretung (wie das BGB. das Wort gebraucht, wäre 
es 80); sie umfasst jede einem Menschen von Rechtswegen zukommende 
Fürsorge für andere. Als Beispiel dieser Vertretung führt Verfasser S. 98 
Massregeln der Gesundheitspolizei an (Desinfektion, die dem Wohnungsin- 
haber vorgeschrieben wird); ebenso „vertritt“ der Richter die Parteien, 
indem er ihre Streitsache durch seine Entscheidung erledigt (8. 111). Die 
Vertretung hat aber noch eine sehr bedeutsame kigenschaft: sie ist durch- 
weg Amt; „denn ein Amt ist jede ihrem Subjekte nicht um seiner selbst 
willen zukommende und daher mit der Pflicht ihrer Verwendung zu dem 
Zwecke, um dessen willen sie besteht, verbundene rechtliche Macht* (8. 102). 
So haben die Eltern in der elterlichen Gewalt ein Amt, hat auch der Fürst 
ein Amt, nur im Umfang von dem eines anderen Amtsträgers verschieden 
(S. 289), und noch gar manches fällt unter den gleichen Begriff. Die Ver- 
tretung ist also amtlicher Natur, es handelt sich um „amtliche Zuständig- 
keiten — und damit spielt die ganze Lehre in sehr umfassender Weise 
hinüber auf unser Gebiet, auf das des öffentlichen Rechts. 
Die Tragweite dieses Vertretungsbegriffes wird uns aber erst klar in 
dem folgenden Kapitel, welches die Ueberschrift trägt: „Die doppelte recht- 
liche Bedeutung des Begriffes der Person". Für die Persönlichkeit des 
Menschen ist entscheidend seine Willensfähigkeit; diese setzt wie- 
der voraus Erkenntnisfähigkeit, Selbstbewusstsein (S. 18, 
8. 21). Es ist das bekannte „Willensdogma‘, welches BERNATZIK seiner- 
zeit im Arch. f. öff. R. Bd. V. so lebhaft bekämpft hat. Der Verfasser zieht aber 
hier sehr entschiedene Folgerungen daraus, „Der handlungsunfähige Mensch 
(weil er eben keinen vom Rechte anerkannten Willen hat) ist nicht Subjekt
	        
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