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wird regierungsseitig anerkannt (S. 127).
Der Verf. geht sodann auf das Gesetz: Prevention of Cruelty to Child-
ren-Act von 1894 ein, das zunächst das Pflichtbewusstsein der Eltern heben
will und wo das misslingt, den Familienverband aufhebt und das Wohl des
Kindes anderweitig sichert, die pflichtvergessenen Eltern aber straft. Cha-
rakteristisch für England ist, dass dies Gesetz privater Initiative seine Ennt-
stehung wie praktische Durchführung dankt. Die 1889 gegründete, 1895
mit Korporationsrecht versehene National Society for the Prevention of Cru-
elty to Children hat durch Anhäufung von Material über die Leiden der
Kinder gewissenloser Eltern das Gesetz herbeigeführt und betreibt durch
seine grossartige, die drei Königreiche in mehr als 800 Bezirke teilende,
nur auf Privatmitteln berubende Organisation, welche für jeden Bezirk ein
Damenkomite zur Propaganda und einen Inspektor vorsieht (S. 165, 168),
eine energische Verfolgung elterlicher Grausamkeit. Ueber 28000 gericht-
liche Verfolgungen von Eltern, die mit fast 27000 Verurteilungen endeten,
also fast stets gerechtfertigt. waren, hat die Gesellschaft herbeigeführt!
(S. 174). — Die Poor Law Act von 1899 und Custody of Children Act von
1891 ‘beugen vor, dass Eltern, die ihre Rechte an den Kindern aufgegeben
haben, von der später eingetretenen Erwerbekraft der Kinder eigennützigen
Gebrauch machen können.
In Frankreich ist die Jugendfürsorge um so mehr eine nationale
Frage (8. 15), ale die Volksvermehrung gering ist, eine gesetzliche Gemeinde-
oder Staats-Armenpflege und ein Anspruch gegen den unehelichen Vater
nicht besteht. Während bereits seit 1811 ein in seinem Ursprung auf die
Revolution von 1789 zurückzuführendes Gesetz die Findelkinder, Waisen
und von ihren ‚Eltern verlassenen Kinder schützt, beschäftigt sich erst das
Gesetz vom 24. Juli 1889 mit den ehelichen Kindern, die von ihren Eltern
misshandelt oder verwahrlost werden (S. 12). Als „misshandelte* Kinder
gelten nach diesem Gesetz solche:
1) die der Prostitution oder Korruption von ihren deshalb bestraften
Eltern zugeführt sind,
2) u. 38) an denen oder durch die seitens der Eltern ein Verbrechen oder
mehrere Straftaten begangen eind,
4) deren Eltern 2mal wegen gewohnheitsmässiger Verführung zur Aus-
schweifung verurteilt sind,
5) u. 6) deren Eltern wegen gewisser. Verbrechen zu Zwangsarbeit oder
2mal wegen Zurückhaltung eines Kindes, wegen Instichlassens oder Unter-
drückung des Personenstandes ihrer Kinder oder Vagabondage verurteilt
sind,
7) deren Eitern als rückfällige notorische Trunkenbolde mehrfach in
Jahresfrist oder wegen Verletzung der Vorschriften zum Schutze von Kin-
dern im Wandergewerbe, als. Seiltänzer etc. bestraft sind,
8) deren Eltern das erste Maı wegen Ausschweifung bestraft sind,