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könnte. Zufolge angeborener oder erworbener Charakteranlage oder ihrer
sozialen Verbältnisse werden sie immer wieder straucheln. Sie sind für die
Gesellschaft verloren. Den übrigen, grössten. Teil aller Verurteilten zu ret-
ten, ist die Aufgabe der Reformbewegung.
Dresden. Staatsanwalt Dr. Wulffen.
Alexander Klein, Die Vorschriften über Verwaltung und
Strafvollzugin den Preussischen Justizgefüngnis-
sen. Berlin, 1905. Franz Vahlen.
Der derzeitige Direktor des Kgl. Strafgefängnisses in Tegel hat mit
seinem vorliegenden Handbuche eine dankenswerte Arbeit geleistet. Wer
einen Einblick in den praktischen Strafvollzug hat, der weiss, wie es für
alle mit der Strafvollstreckung befassten Juristen und Nichtjuristen wün-
schenswert ist, die einschlagenden Gesetze, Verordnungen und sonstigen
Bestimmungen in einem Bande bei der Hand zu haben. In Preussen er-
scheint dieses Bedürfnis besonders dringend, weil da die Vorschriften sehr
zahlreich und verzweigt, teils älteren Datums, teils aufgehoben oder geän-
dert und in den verschiedensten Quellen verstreut sind. Zutreffend hebt
KLeEın im Vorworte bei der Mitteilung, dass er alle Vorschriften in unver-
kürzter Form bringe, hervor, wie das Fehlen eines vollständigen Nachschlage-
werkes teilweise mitverschulde, dass die Vorschriften der Zentralinstanz
nicht immer vollständig und nicht immer in ihrem Geiste angewendet wer-
den. Ich kann hinzusetzen, dass ich von zuverlässigen Gefangenen Mittei-
lungen erhalten habe, danach Gefängnisdirektoren nicht einmal die einfach-
sten Bestimmungen der „Grundsätze“ des Bundesrates befolgt haben. KLeEıns
Handbuch entspricht in seiner ganzen Ausarbeitung dem angekündigten
Plane. Es ist ein sehr reiches Material in übersichtlicher Weise zusammen-
getragen worden. : In einigen Anmerkungen und in den Entwürfen zu Dienst-
ordnungen für Unterbeamte u. s. w. (S. 243 fi.) erweist sich der Verfasser
als praktischer und humaner Strafvollzugsbeamter. Er betont, dass die sog.
aktenmässige Nachricht zur Individualisierung des Gefangenen nicht genügt,
sondern ein Auszug aus den Gerichtsakten und ein vom Gefangenen selbst
geschriebener Lebenslauf zu den Personalakten zu bringen ist (S. 56).
Seine Charakterisierung der Pensumarbeit und Warnung vor voreiliger
Disziplinarbestrafung bei Nichtleistung treffen den Nagel auf den Kopf (S. 95).
Für den Strafvollzugstheoretiker ist es von hohem Interesse, in KLEINs
Handbuch den Strafvollzug in den Preussischen Justizgefängnissen kennen
zu lernen. Die zahıreichen Verordnungen, z. T. auch über nicht unwichtige
Kleinigkeiten — im Strafvollzuge ist nichts unwichtig —, belehren, wie die
massgebende amtliche Strafvollzugskritik sich im fortwährenden Flusse be-
‘iindet. Die Reichhaltigkeit des Materials übertrifft z. B. unsere Sächsischen
Bestimmungen. Wir haben beispielsweise nicht die Anweisung, dass schon
die Referendare mit den Aufgaben der Gefängnisverwaltung praktisch be-