Full text: Archiv für öffentliches Recht. Zwanzigster Band. (20)

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hier darin zum Ausdruck, dass das Reich gemäss der ihm in 
Gestalt. des Exekutionsrechtes verliehenen Zwangsgewalt berech- 
tigt ist, durch. psychische oder physische Einwirkungen oder 
durch technische Verrichtungen den dem Reichsrecht entsprechen- 
den Zustand gegenüber dem Ungehorsam des Einzelstaates her- 
zustellen, ohne den Einzelstaat zu fragen, ja, nicht nur unter 
Ausschliessung jedes Mitwirkungsrechtes des Einzelstaates, son- 
dern sogar in ausgesprochenem Gegensatz zu dem Willen des 
Einzelstaates. Dieses Oberhoheits-Recht wiegt aber noch be- 
sonders schwer, da im Falle der Ausübung desselben von seiten 
des Reiches die Landesstaatsgewalt des Einzelstaates in ihren 
Einwirkungen auf die Landesbehörden und auf die Staatsange- 
hörigen mehr oder weniger vollständig gehemmt wird und so die 
Autorität der Einzelstaats-Regierung die. stärkste Einbusse er- 
leidet. Somit verleiht, wenn irgend ein Recht, so das Exekutions- 
recht, gemäss seiner Natur, dem Reiche eine Oberhoheit über 
die Einzelstasten. Dies ist denn auch die allgemeine Ansicht 
aller juristischen Schriftsteller; nur von. SEYDEL weicht ab 
(. c. S. 136 resp.:S. 188 f.): „das Exekutionsrecht des Reiches 
ist in keiner Weise ein Ausdruck der Oberhoheit desselben. Die 
Exekution ist ein Zwang, dem der einzelne Verbündete vertrags- 
mässig und im voraus für den Fall sich unterwirft, dass er seine 
Vertragspflichten nicht erfüllen sollte Sie tritt ein zur Er: 
zwingung der Bundestreue, nicht zur Erzwingung des Gehorsams“. 
Zu erklären ist diese eigenartige Ansicht VON SEYDELs ohne 
weiteres aus der von ihm im Anschluss an Calhouns Nullifika- 
tionstheorie aufgestellten’ und in zahlreichen Schriften vertretenen 
Theorie, das deutsche Reich sei ein völkerrechtliches Vertrags- 
verhältnis, eg sei ein Staatenbund wie früher der deutsche Bund, 
die Reichsverfassung sei eine Vertragsurkunde. Ja, gemäss 
dieser Anschauung: von dem rechtlichen Charakter des deutschen 
Reiches konnte VON SEYDEL notwendigerweise zu keiner anderen 
Ansicht über den rechtlichen Charakter und namentlich den 
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