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die Verfassung? gezogen seien. Aber dies vermögen wir als ein
unterscheidendes Kriterium nicht anzuerkennen; denn einer Kom-
petenzüberschreitung darf sich ja auch die Reichsgewalt nicht
schuldig machen, solange die Rechtssphäre des Reichs noch durch
eine bestimmte Linie abgegrenzt ist, wie LABAND a. a. O. S. 128
selbst betont #.
Ist also den Gliedstaaten — und sei es auch infolge der
„bewußten und gewollten Selbstbeschränkung des Reichs“ (LA-
BAND a. a. O. S. 59) — ein Inbegriff von Hoheitsrechten und
dementsprechend ein Komplex von staatlichen Aufgaben verblie-
ben, innerhalb dessen die Einzelstaatsgewalt und nicht das Reich
die regelnden Normen in letzter Instanz gibt, so ist kein Grand
einzusehen, warum nicht der Einzelstaat im Rahmen seiner
Kompetenzebenso souverän sein sollte wie der
Gesamtstaat innerhalb seiner Herrschaftssphäre; denn
Einzelstaat und Gesamtstaat unterscheiden sich
ja, wie wir gesehen haben, nur durch das Anwendungsfeld, auf
dem sich ihre Souveränität betätigt, d. i. durch ihre Zuständig-
33 LABAND sagt „von der Reichsgesetzgebung“, d. h. von der Reichs-
gewalt; aber das ist eine ungenaue Ausdrucksweise; denn z. B. die Reser-
vatrechte der Gliedstaaten sind kein „von der Reichsgesetzgebung freige-
lassener Raum“, sondern ein Raum, den diese überhaupt nicht betre-
ten kann und darf ohne den Willen des betr. Gliedstaats.
% Die Beweisführung LaBAnps bewegt sich hier übrigens in einem
unverkennbaren Zirkel, wenn er a. a. OÖ. S. 63 einerseits argumentiert:
Findet der Einzelstaat an den Normen der Reichsge-
walt eine rechtliche Schranke, dann ist er auch auf dem ihm
verbliebenen Herrschaftsgebiete nicht mehr souverän, da er auch hier
die rechtlichen Einwirkungen der Zentralgewalt ver-
spürt; und a. a. O. S. 105 anderseits (dem Sinne nach) ausführt: Der
Einzelstaat verspürt auch auf seinem Herrschaftsge-
biet die Einflüsse der Reichsgewalt, da er sich inner-
halb der von dieser aufgestellten Schranken halten
müsse,
3 Vgl. aber anderseits die Reservatrechte der Gliedstaaten!