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in dem Gesetz von 1870 noch nicht aufgenommen werden konnten,
weil zu jener Zeit eine „unmittelbare Reichsangehörigkeit“ noch
gar nicht existierte. Vielmehr wurde man zur Schaffung dieser
Art der Verleihung deutscher Staatsangehörigkeit erst angeregt
durch die Erwerbung von Kolonien* — Deutschland trat erst 1884
in die Reihe der Kolonialmächte —, durch die Einrichtung, Aus-
länder im Reichsdienst anzustellen ®, die ja zum Teil auch eng
mit dem Erwerb von Kolonialbesitz zusammenhängt, zunı anderen
Teil der Ausbreitung der konsularischen Vertretung Deutschlands
im Auslande ihre Entstehung verdankt, und endlich auch durch
die Ausdehnung der Reichsgewalt auf Elsaß-Lothringen®‘. Für
die beiden erstgenannten Arten des Erwerbs der „unmittelbaren
Reichsangehörigkeit“ enthält jetzt das neue Staatsangehörigkeits-
gesetz die einschlägigen Bestimmungen in $$ 331 und 34; da-
gegen spricht weder das alte noch das neue Gesetz von einer
unmittelbaren Reichsangehörigkeit, soweit es sich um Elsaß-
Lothringen handelt, vielmehr soll dies — wenigstens nach dem
neuen Gesetz $ 2 I — sogar als Bundesstaat gelten. In Wahr-
heit aber ist Elsaß-Lothringen auch nach seiner neuen Verfassung
vom 31. Mai 1911 kein Bundesstaat’, die Staatsgewalt über das
Reichsland steht dem Reiche zu; es erwirbt also der Ausländer,
der in Elsaß-Lothringen eingebürgert wird, tatsächlich auch un-
mittelbar die Reichsangehörigkeit®. Und doch hat die erwähnte
* Vgl. Schutzgebietsgesetz von 1888 und 1900.
5 Vgl. Gesetz vom 20. Dez. 1875 betr. die Naturalisation von Auslän-
dern, die im Reichsdienst angestellt sind.
° Vgl. Art. 2 des Gesetzes vom 8. Jan. 1873 betr. die Einführung des
Reichsges. über die Freizügigkeit vom 1. Nov. 1867 und des Reichsges.
über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit
vom 1. Juni 1870 in Elsaß-Lothringen.
? Es gilt nur für wenige Bestimmungen der RV. (Art. 6 II, 7, 8) als
solcher: vgl. Art. 1 IV der Verfassung Elsaß-Lothr. vom 31. Mai 1911.
® Hierfür hat man früher die besondere Bezeichnung „Landesange-
hörigkeit“ bevorzugt. Vgl. auch W, Caun, „Das Reichsgesetz über die Er-
werbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit“ 1896 8.12.