— 1% —
des Artikel 85 der hessischen Verfassungsurkunde gegen einen
hessischen Abgeordneten einen Haftbefehl erlassen könnte, auf
Grund des & 161 GVG. angenommen werden können, daß die
hessische Gendarmerie diesen badischen Haftbefehl vollziehen und
demnach den hessischen Abgeordneten auf Grund des Haftbefehls
ergreifen und zur Vollziehung der Untersuchungshaft nach Baden
transportieren müßte, so könnte nıan allerdings mit gewissem Recht
wie dies WOLTER a. a. OÖ. S. 18 tut, argumentieren: Durch das
Keichsrecht ist die Möglichkeit, einen hessischen Abgeordneten
auch auf hessischen Territorien zu inhaftieren, geschaffen worden.
Dies war vor dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes
nicht möglich. Das Reichsrecht hat also entgegen dem Artikel
85 der hessischen Verfassungsurkunde die Möglichkeit, einen in
Hessen wohnhaften Abgeordneten zu verhaften, geschaffen. Sie
hat damit den in Hessen bestehenden Rechtszustand zuungunsten
der Abgeordneten-Immunität verändert und in praxi daher die
Immunität der hessischen Abgeordneten tatsächlich nicht unbe-
rübrt gelassen.
Ich gestehe zu, daß hier ein Bedenken gegen den diesseits
vertretenen Standpunkt vorliegt — ein Bedenken, das allerdings,
auch wenn seine Voraussetzungen richtig ständen, gegenüber den
übrigen schwerwiegenden Gründen, die für die hier vertretene An-
sicht sprechen, nicht ausschlaggebend sein könnte, — aber nur
wenn die Prämisse richtig wäre, daß auf Grund des $ 161 GVG@.
der hessische Exekutivbeamte den badischen Haftbefehl entgegen
der Immunitätsvorschrift der hessischen Verfassung vollstrecken
müßte.
Die Prämisse ist jedoch nicht richtig. Um diesen Standpunkt
zu begründen, ist etwas weiter auszuholen. Es ist von der Rechts-
natur der Immunitätsvorschriften auszugehen. Diese sind ver-
fassungsrechtliche Rechtsnormen. Als solche sind sie staatliche
Befehle, die neben der Gewährung der Freiheit der Abgeordneten
von den Verhaftungsvorschriften des gemeinen Rechts gleichzeitig
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX1II. 1.2. 13