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lehnung ebenso wie die Sanktion selbst schon früher dem Land-
tage mitteilen. Nun besteht darüber kein Zweifel, daß er, wenn
er einmal einen Landtagsbeschluß ausdrücklich abgelehnt hat, den-
selben nicht nachträglich sanktionieren kann.
DYROFF’ schreibt unter anderem hierüber: „Durch die Ab-
lehnung der Sanktion schneidet er (der Monarch) sich die ver-
fassungsrechtliche Möglichkeit, von der im Gesamtbeschluß ausge-
sprochenen Zustimmung Gebrauch zu machen, unbedingt ab.“
Gleiches gilt für den Bundesrat.
2. Sehr wichtig und bestritten ist die Frage, innerhalb wel-
ches Zeitraums der Bundesrat von seinem Rechte der letzten Ab-
stimmung Gebrauch machen muß bzw. wie lange die Reichstags-
beschlüsse Gültigkeit haben.
Es bestehen darüber verschiedene Ansichten, die in der Haupt-
sache in drei Gruppen zerfallen, welche hier kurz erwähnt werden
sollen.
Da eine positive Bestimmung der Reichsverfassung fehlt, so
ist bis vor kurzer Zeit die Existenz eines Gewohnheitsrechts be-
hauptet worden, wonach der gesamte Gesetzgebungsakt von der
Einbringung des Entwurfs im Reichstage bis zur Verkündigung
der ausgefertigten Gesetzesurkunde im Reichsgesetzblatt nach einer
allgemeinen Uebung beendet sein müsse, bevor der Reichstag zu
einer Session zusammengetreten sei.
Diese Ansicht ist indes neuerdings überwiegend aufgegeben
worden und wird durch die Tatsache widerlegt, daß mehrere
Reichsgesetze teilweise außerhalb der Session, zum Teil sogar
außerhalb der Legislaturperiode, in der sie vom Reichstag be-
schlossen wurden, zum Gesetz erlioben worden sind, z. B. die
Reichsgesetze vom 1. Juli 1878, 17. Juli 1878, 12. März 18834.
8. Dezember 1884, 3. Mai 1890, 6. Mai 1890, 19. Juni 189.
3. Juli 1893, 1. Dezember 1898, 8. März 1904. Die Vertreter
$ Annalen des Deutschen Reiches 1889, S. 865.