Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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werden kann, England in größtem Umfange frei gehalten von 
jener verhängnisvollen Vermischung rechtlicher und politischer 
Gredanken, wie sie in Frankreich und auch in Deutschland so un- 
heilvoll gewesen ist. Auf der anderen Seite hat die fast schwer- 
fällige Wahrung überlieferter Rechtseinrichtungen in England 
natürlich auch mancherlei Nachteile gebracht. Vieles im engli- 
schen Rechtsleben paßt nun einmal durchaus nicht mehr ın unsere 
Zeit. Das Festhalten daran ist geeignet, Handel und Wandel so- 
wie die öffentliche Sicherheit zu schädigen. Hier ist die Ein- 
seitigkeit, mit der man am Alten hängt, vom Uebel. Es fehlt 
an einer wissenschaftlichen und systematischen Durchdringung 
nnd Regelung des Rechtsverkehrs. Es fehlt an Prinzipien, nach 
denen das Recht mit den heutigen Anforderungen der Wirtschaft 
in Einklang gebracht würde. Alles hat sich beinahe zufällig und 
aufs Geratewohl so entwickelt, wie es sich entwickeln mußte. 
Man vermißt die starke ordnende Hand der Gesetzgebung und der 
Rechtswissenschaft, ohne die das vielgestaltige Leben eines mo- 
dernen Kulturvolkes nicht in die ihm gemäße Form gebracht 
werden kann. Es ıst ein verwirrend buntes Bild, das uns ent- 
gegentritt, ein Umstand, der es auch überaus schwer macht, vom 
englischen Rechtswesen eine klare Vorstellung zu gewinnen. 
Unter den Einrichtungen, die in ihren wesentlichsten Grund- 
zügen seit Jahrhunderten unverändert geblieben sind, steht an 
erster Stelle das Geschworenengericht, oder wie es in England 
heißt, die Jury. Eine Betrachtung der englischen Jury ist für 
uns um deswillen von hohem Interesse und von großer Bedeu- 
tung, weil England das klassische Land des Schwurgerichts ist. 
Von dort hat Frankreich in den Stürmen der Revolution sich sein 
Geschworenengericht herübergeholt, und von Frankreich ist es 
bekanntlich um die Mitte des 19. Jahrhunderts in die deutschen 
Länder gedrungen. Wenn nun auch unser Schwurgericht im we- 
sentlichen dem französischen Vorbilde nachgeahmt ist, so ver- 
leugnet es doch in Theorie und Praxis keineswegs seine mittel- 
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