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wähnen, die eine, wenn auch beschränkte, so doch nicht unwich-
tige Rolle im englischen Rechtsleben spielt. Der Coroner, mei-
stens ein solicitor oder ein Arzt, ist ein festbesoldeter Beamter,
der eine Art Voruntersuchung in unnatürlichen Todesfällen zu
führen hat. Sobald ein derartiger Fall eintritt, hat er Ermitt-
lungen anzustellen, die Leichenschau vorzunehmen, wenn nötig,
auch die Leichenöffnung zu veranlassen, endlich Zeugen und Sach-
verständige zu vernehmen. Er hat alsdann unter Zuziehung einer
besonderen Jury über den Todesfall zu verhandeln. Der Aus-
spruch dieser Jury stellt entweder nur die Todesursache fest, oder
er enthält eine bestimmte Beschuldigung gegen eine Person. Im
letzteren Falle gilt der Wahrspruch der Coronerjury als Anklage,
sodaß grundsätzlich die Sache nunmehr unter Uebergehung der
großen Jury vor die Urteilsgeschworenen gebracht werden kann.
In der Praxis aber hat sich die Uebung herausgebildet, auch,
nachdem die Coronerjury eine bestimmte Beschuldigung ausge-
sprochen hat, die Sache zunächst dem Friedensrichter zur An-
stellung von Vorermittlungen zu übergeben und sie hierauf den
geordneten Weg durch die Anklagejury nehmen zu lassen.
Das Verfahren vor der Urteilsjury, sowie die Stellung der
Geschworenen in England sind nur recht zu verstehen, wenn die
Grundzüge des englischen Strafprozesses überhaupt betrachtet
werden. Es war bereits davon die Rede, daß der englische Straf-
prozeß sich in gewissem Sinne einem bürgerlichen Rechtsstreite
nähert. Dieser Gesichtspunkt zeigt sich im ganzen Verfahren.
Keine Partei, weder der Ankläger noch der Angeklagte, hat vor
der anderen etwas voraus. Der Angeklagte insbesondere wird
für unschuldig gehalten, solange ihm nicht vom Ankläger seine
Schuld haarscharf nachgewiesen ist. Hieran ändert auch der
Umstand nichts, daß in England fast ausnahmslos jedes Straf-
verfahren durch die Verhaftung des Angeschuldigten eingeleitet
wird. Haftgrund ist nicht nur dringender Tatverdacht. Der
Zweck der Verhaftung ist vor allem, sich der Person des Ange-