— 232 —
klagten für die Hauptverhandlung zu vergewissern. Gerade die
Menge der Verhaftungen in England und ihre häufig nur kurze
Dauer bewirken aber, daß die Untersuchungshaft dort im allge-
meinen nicht so schwer genommen wird wie bei uns. Der Makel.
der auf einem Verhafteten ruht, ist in England bei weitem nicht
so hart wie anderwärts.
Wenn also das englische Verfahren von dem Grundsatze der
Waffengleichheit ausgeht, und die Vermutung für die Unschuld
des Angeklagten spricht, so ist es nur folgerichtig, daß jeder
Teil seine Behauptungen streng beweisen muß. Beim Ankläger
erscheint dies selbstverständlich. Aber auch der Angeklagte darf
nicht Tatsachen leichthin vorbringen, ohne gleichzeitig Beweis-
mittel anzuführen. Das Beweisverfahren in England besteht
darin, daß jede Partei ihre Zeugen und Sachverständigen selbst
verhört. Nur wenn eine Partei nicht durch einen Anwalt ver-
treten ist, liegt die Beweisaufnahme dem vorsitzenden Richter ob.
Auch eine Art Beweistheorie hat sich in England erhalten. zwar
nicht in dem Sınne, daß etwa eine Tatsache, die durch mehrere
Zeugen bekundet ist, als erwiesen angesehen werden muß. Wohl
aber trıfft das englische Recht eine sorgfältige Auswahl unter
den Beweismitteln überhaupt, wobei es von dem Grundsatze aus-
geht, daß nur die besten, klarsten und zuverlässigsten Beweise
vorgebracht werden dürfen. Zeugen, die eine Tatsache nur vom
Hörensagen bekunden können, werden nicht zugelassen. Ueber
den Leumund und das Vorleben des Angeklagten, sowie über
andere nicht unmittelbar mit der Strafsache zusammenhängende
Umstände, werden Erörterungen und Beweise nicht geduldet.
Schriftliehe Aussagen dürfen nur verlesen werden, wenn sie von
Verstorbenen oder von weit entfernt wohnenden Personen her-
rühren. Mitschuldige können als Zeugen vernommen und zur
Belohnung aus der Untersuchung entlassen werden. Der Indizien-
beweis ist zulässig, außer bei Hochverrat und Meineid, die immer
durch mindestens zwei Tatzeugen bewiesen werden müssen. Kinder