— 233 —
können vernommen und vereidigt werden, wenn sie nur eine rechte
Vorstellung vom Wesen des Eides haben. Das Merkwürdigste
ist, daß auch der Angeklagte als Zeuge eidlich vernommen wer-
den kann. Die Hauptverhandlung beginnt mit der Frage an den
Angeklagten, ob er sich schuldig bekenne. Diese Frage hat eine
wesentlich formale Bedeutung. Denn wenn der Angeklagte sich
für schuldig erklärt, so wird, ohne daß es der Zuziehung einer
Jury bedürfte und ohne weitere Verhandlung sofort das Urteil
gesprochen. Auch eine Verhandlung über die Straffrage findet
alsdann nicht statt. Die Geständnisse sollen jetzt in England
außerordentlich häufig sein. Nach einer Statistik vom Jahre 1898
haben 48'/, Prozent, also fast die Hälfte aller Angeklagten, sich
für schuldig erklärt und damit jede weitere Verhandlung über-
flüssig gemacht. Es sei hier nebenbei bemerkt, daß naturgemäß
durch den Wegfall einer so großen Menge von Hauptverhand-
Inngen die Riehter in England außerordentlich entlastet werden.
Es mag dieser Umstand einer von den Gründen für die geringe
Zahl der Richter in England sein. Eine weitere Erklärung als
die, ob er sich schuldig oder nichtschuldig bekenne, wird von dem
Angeklagten nicht verlangt und auch nicht erwartet. Er spielt
jetzt eine durchaus passive Rolle und wird insbesondere von keiner
Seite einem Verhör unterzogen. Er kann dem Verfahren ruhig
zusehen und abwarten, was gegen ihn bewiesen werden wird.
All das unfruchtbare Hin und Her, das die Strafverhandlungen in
den anderen Ländern so unerquicklich macht, fehlt in England.
Sowohl der Vorsitzende, als auch der Anrreklagte folgen der
Verhandlung zwar mit Interesse, aber ohne äußere Beteiligung.
Der Vorsitzende besonders hat von der Schuldfrage an den An-
geklagten bis zur Rechtsbelehrung nichts weiter zu tun, als den
Gang der Verhandlung im allgemeinen zu überwachen und vor
allem darauf zu sehen, daß die Beweisaufnahme in richtiger
Weise vor sich geht. Streitfragen, die hierbei auftauchen, hat
er allerdings zu entscheiden. Er kann auch den Parteien und