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inzwischen eine andere Sache vor, zu deren Verhandlung eine
Reservejury jederzeit bereit steht. Hierdurch wird wiederum eine
erhebliche Besehleunigung des Verfahrens erreicht. Obgleich der
Wahrspruch in der Regel nichts anderes enthält als schuldig
oder nichtschuldig, so kommt es doch häufig vor, daß die Ge-
sehworenen den Angeklagten zugleich der Milde des Gerichtes
oder der Krone zur Begnadigung empfehlen. Das Gericht kann
die Geschworenen nach den Gründen einer derartigen Emp-
fehlung fragen. Daß der Verteidiger sie zur Abgabe einer der-
artigen Empfehlung auffordert, wird in England nicht für zu-
lässig erachtet. Der Appell der Geschworenen ist meistens von
Erfolg begleitet. Hier ist noch einer merkwürdigen Sitte in Eng-
land Erwähnung zu tun, aus der hervorgeht, welches Ansehen
dort die Jury genießt. Nach sehr alter Gewohnheit fühlen sich
die Geschworenen häufig als Organ der öffentlichen Meinung und
sprechen sich dann, zugleich mit ihrem Wahrspruche, über ge-
wisse öffentliche Fragen oder Mißstände aus, die mit der ver-
handelten Strafsache irgendwie im Zusammenbange stehen. Sie
tadeln etwa gesetzliche Vorschriften, oder rügen das Verhalten
der Polizei. Sie fordern die Einführung von Besserungsanstalten
oder mißbilligen es, daß gewisse Abtreibungsmittel von den Apo-
theken ungehindert an jedermann verkauft werden dürfen. Es ist
auch vorgekommen, daß die Geschworenen dem Ankläger öffent-
lich den Dank des Landes abgestattet haben dafür, daß er die
Sache zur Anzeige gebracht hatte. Das Gericht hört derartige
Aussprüche der Jury aufmerksam an, und bei dem großen Ein-
flusse, den das Geschworeneninstitut in England ausübt, sind
solche Aeußerungen, die dann auch durch die Presse gehen,
häufig Anlaß zu Reformen gewesen.
An den Wahrspruch der Geschworenen schließt sich meistens
unmittelbar das Urteil des Gerichts an. Es sei hierbei ein kurzer
Seitenblick auf die Besetzung der Richterbank des englischen Ge-
schworenengerichts gestattet. Die beiden Hauptformen der eng-