Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

— 266 — 
mit politischen Erwägungen heranzutreten, was zur Rechtsunsicherheit führt. 
Es gibt im schweizerischen Verfassungsrecht viele Probleme von praktisch 
weittragendster Bedeutung, um die sich sowohl Theorie als Praxis bisher 
herumgedrückt haben oder die von ihnen in ganz ungenügender Weise 
gelöst wurden. Die in Betracht kommende Literatur ist mit wenigen Aus- 
nahmen eine ziemlich spärliche. Immerhin ist es doch etwas zu weit ge- 
gangen, wenn VON FRISCH behauptet, es fehlt „vollständig an modernen 
systematischen Werken, an einer gründlichen Durcharbeitung des eidge- 
nössischen Staatsrechts“. Es muß doch daran erinnert werden, daß ein 
Dups, ein BLUMER systematische Werke geschaffen haben, die, wenn auch 
heute veraltet, doch noch hie und da gerne konsultiert werden. voN FRISCH 
scheint auch SCHOLLENRERGERs Werke nicht zu kennen oder schweigt von 
ihnen geflissentlich, was, wenn man wissenschaftlich sein will, doch nicht 
angeht. SCHOLLENBERGERs Werke zeichnen sich ja gerade dadurch aus. 
daß in ihnen das Streben nach einer straffen Systematik oberster leitender 
Gesichtspunkt ist, worunter allerdings manchmal Einzeldarstellungen und 
historische Ausführungen zu leiden haben. Mit Recht beklagt sich vox 
Frisch über die durchschnittlich auf nicht gerade hoher Stufe stehende 
öffentlich-rechtliche Dissertationenliteratur, wodurch sich aber die Schweiz 
von andern Ländern nicht unterscheidet. 
Der streng juristische Maßstab, den von FRISCH den von ihm behan- 
delten Fragen anlegt, ist berechtigt und bedingt durch die Aufgabe, die 
sich der Verf. stellt, nämlich eine juristische Lösung derselben zu bringen. 
Es ist aber bei der Beurteilung der Lücken und Widersprüche des schwei- 
zerischen Staatsrechts doch zu berücksichtigen, daß es dem praktischen 
Politiker in der Schweiz bisweilen und namentlich früher, wo es keine 
entwickelte Wissenschaft des öffentlichen Rechts gab und alles durch die 
Brille des Privatrechts betrachtet wurde, an juristischer Schulung mangelt. 
Dies hat seine Ursache unter anderem in gewissen Prinzipien des eidge- 
nössischen Staatswesens, wie Wahlfähigkeit für die obersten Aemter auf 
breitester Grundlage, kurze Amtszeiten. Die Parteipolitik spielt aber keine 
größere Rolle als in andern Ländern. Der Verf. anerkennt, daß in diesem 
System die Erklärung für manche juristische Kuriosität liegt; eine hohe 
Achtung vor den demokratischen Institutionen der Schweiz scheint vox 
FRISCH, wie aus manchen Bemerkungen hervorgeht, allerdings nicht zu 
haben. Wenn er beklagt, wie wenig die Errungenschaften der deutschen 
Staatsrechtswissenschaft auf die Schweiz eingewirkt haben, so möchte ich 
darin nur eine Art Parallelentwicklung zur schweizerischen Privatrechts- 
wissenschaft erblicken, die bis heute eine bemerkenswerte, wenn auch tiefer 
begründete Selbständigkeit gezeigt hat. 
von FriscH beschränkt sich in der Hauptsache in seinen Ausführungen 
auf die Bundesverfassung und die Entscheidungen von Bundesversammlung 
und Bundesrat. Die Praxis des Bundesgerichts sowohl als diejenige kanto-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.