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die Staatsgrundgesetze, besonders bezüglich der Freiheit der Person und
ihrer Betätigung, verstoßen.
Die Darstellung der Staatsverwaltung, die bei der großen Zahl
der einzelnen, voneinander unabhängigen Staaten recht verschiedenartig
ist, nimmt einen weiten Raum ein; sie zeigt, daß überall der Grundsatz
zum Durchbruch kommt, die Freiheit des Staatsbürgers möglichst sicher
zu stellen; viel Interessantes und auch für unsere Verhältnisse Beachtens-
wertes enthält die Schilderung der lokalen Selbstverwaltung, wobei der
Distrikt Columbia als der Zentralstaat mit der Bundesbauptstadt Washington
besonders eingehende Erörterung findet.
Das Werk, das in plastischer Weise die vielgestaltigen Erscheinungen
auf dem Gebiete des nordamerikanischen Staatswesens vor Augen führt,
kommt zu folgenden, durch den Vergleich mit den europäischen Zuständen
recht anschaulich gemachten Schlußsätzen: Europäische Augen, welche
noch gewöhnt sind, im Parlament eine Repräsentation des Volkes, der
geistigen und materiellen Potenz desselben, zu finden, und zur Einrichtung
als solcher aufblicken, werden vielleicht erschrecken, eine Staatsmaschinerie,
wie die beschriebene, kennen zu lernen. Es fehlte in Nordamerika eine
historische Tradition als Gegenspieler gegen die demokratische Tendenz ;
es fehlt auch eine überkommene soziale Gliederung der Massen; das Par-
lament ist zum bloßen Organ neben den anderen Organen geworden. Da-
durch erklärt sich die fortschreitende Erweiterung der unmittelbaren Ge-
setzgebung durch das Volk, die fortschreitende Einführung von Referendum
und Initiative.
Zwei Lehren lassen sich aus der Geschichte der amerikanischen Staaten
entnehmen: Das Parlament ist eine Einrichtung, welche blüht als Gegen-
spieler gegenüber monarchisch-aristokratischer Tradition. Die Einrichtung
ist auf der Höhe anscheinend nur, solange die Massen, welche zahlenmäßig
die erdrückende Mehrheit haben, ihre Interessen mitvertreten lassen durch
Angehörige der oberen Auslese an Wissen und Besitz. Sobald dies nicht
mehr der Fall ist, kommen die staatserhaltenden Tendenzen bei Referen-
dum und Initiative besser zur Geltung. Die zweite Lehre ist die, daß die
demokratische Tendenz einen konservativen Gegenspieler braucht.
So erweist sich das Werk nicht bloß als ein Bild des amerikanischen
Staatswesens, sondern zugleich auch als ein Spiegel europäischer Verhält-
nisse, in den zu blicken bei der zunehmenden Demokratisierung aller
öffentlichen Einrichtungen besonders in Deutschland aller Anlaß besteht.
Rupprecht.
Blätter für Zwangserziehung und Fürsorge. 9. Band (Ver-
lagsbucbhandlung Karl Konegen, Wien 1913).
Der österreichische Verein für Zwangserziehung und Fürsorge steht an
Rührigkeit hinter der deutschen Zentrale für Jugendfürsorge nicht zurück :
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