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und dem Jugendstrafverfahren die Möglichkeit und Erfolgsicherung solcher
Maßregeln erwiesen worden ist, in der Kriminalwissenschaft einen immer
weiteren Raum ein und auch der Entwurf zu einem neuen Strafgesetzbuch
hat sich diesen Bestrebungen nicht verschlossen; trotzdem ist von dem
unmittelbaren Kampfe gegen das Verbrechen durch die hiezu geschaffenen
staatlichen Organe fast nie die Rede. Darum ist ein Werk, wie das von
Dr. KITZINGER, recht geeignet, diese Lücke auszufüllen, zumal wenn es in
so eingehender und übersichtlicher Weise ausgearbeitet ist, wie das vor-
liegende, das bis zu einer gewissen Grenze dem bekannten GRossschen
Handbuch für Untersuchungsrichter an die Seite gestellt werden kann,
wenn auch das Vorwiegen theoretischer Erörterungen in KıTzinGers Arbeit
einen wesentlichen Unterschied beider Werke begründet. Das Werk gibt
zunächst vorbereitende Bemerkungen über Straf- und Normenrecht, die
ibrem Wesen nach rein theoretisch-wissenschaftlich gehalten sind. Mit dem
II. Kapitel: die positiv-rechtlichen Grundlagen kommt man auf den festen
Boden des geschriebenen Rechts in Deutschland; die Bundesstaaten sind
ausgeschieden nach solchen welche, wie Bayern klares, jene Polizeibefugnis
wenigstens grundsätzlich anerkennendes Gesetzesrecht besitzen, die also
die Polizei ausdrücklich zur Verhinderung strafbarer oder rechtswidriger
Handlungen ermächtigen oder verpflichten, dann jener, in welchen, wie in
Preußen, die Rechtsgrundlage hinter einem weiteren und unbestimmten
Polizeibegriff verschwindet, sodann einer dritten Gruppe, deren Gesetz-
gebungen, wie in Württemberg, ein polizeiliches Befehls- und ein sich an-
schließendes Zwangsrecht kennen, um endlich mit denjenigen zu schließen,
welche kein solches Gesetzesrecht besitzen.
Nach eingehender Erörterung des Begriffs Polizei in seiner verschie-
denen Auffassung kommt der Verf. zur Definition der Polizeigewalt im
Sinne der Rechtspolizei als der staatlichen Selbsthilfe zwecks
zwangsemäßiger Realisierung eines bedrohten staat-
lichen Anspruchs auf normgemüäüßes Verhalten, mit an-
deren Worten zur Feststellung, daß die Verhinderung strafbarer oder ver-
botener Handlungen durch Polizeigewalt nichts anderes ist als Selbsthilfe.
Das ist die Grundlage, auf der die Untersuchungen des Werkes weiter auf-
bauen und im einzelnen die Voraussetzungen und die Arten dieser Tätigkeit
betrachten.
Der 2. Teil ist diesen Krörterungen gewidmet. Das rechtspolizeiliche
Einschreiten setzt in der Regel eine strafbare Handlung voraus, wenn nicht
im Gesetz, so im Preßgesetz, besondere Erschwerungen vorgesehen sind.
Es kann aber schon die Rechtswidrigkeit einer Handlung das rechtepoli-
zeiliche Einschreiten rechtfertigen, wobei dieses Einschreiten unabhängig
ist von der Strafsatzung und ihren Voraussetzungen, so von Strafantrag,
von Schuld und Schuldfähigkeit, immerhin aber, entgegen der räumlichen
Herrschaft der Strafrechtsnormen ($ 4 Reichsstrafgesetzbuch) im allge-