Zunächst drängt sich bei der Lektüre des FrReunnschen Werkes der
Eindruck auf, wie stark auch in dieser speziellen Materie die Eigenart der
Monarchie, die Beeinflussung des ganzen Staatslebens durch die Persönlich-
keit des Monarchen, sich bemerkbar macht. Der mit gewaltigen Schwin-
gen über die Grenzen seiner Zeit sich erhebende Große Kurfürst brachte
denselben Gedanken, auf dem seine Idee der Koloniengründung beruhte,
den Gedanken der Notwendigkeit, das kleinliche Wirtschaftsleben des
darniederliegenden Landes einem frischen Zug zu öffnen, auch in der
Judenfrage zur Anwendung: er gewährte den Juden nicht nur wieder
Aufnahme, sondern auch weitgehende Freiheiten und Rechte. Mit seinem
Tode begann unter seinen im Banne ihrer Zeit stehenden Nachfolgern eine
rückläufige Bewegung, die zu immer größerer Bedrückung der Juden führte,
bi: diese — das ist das merkwürdigste — unter dem größten Sohne der
Aufklärung, unter Friedrich d. G. ihren Höhepunkt erlangte. Als ob auch
hier, wie so vielfach im Leben dieses großen Einsamen, die Natur das
blendende Licht seines Geistes durch das Dunkel widerspruchsvoller Einzel-
züge vor übernatürlichem Glanze hätte bewahren wollen. so steht unbe-
greiflich neben der prinzipiellen Anerkennung der Religionsfreiheit die
verächtliche rechtliche Allgemeinbehandlung der Juden: vielleicht (nach
der Vermutung FREUNDe), auf einem ästhetischen depit beruhend, eine
seiner Launen, die, wie ARCHENHOLZ sagt, „der Zutall erzeugte und end-
lich in Grundsätze verwandelte“. Nach Friedrich d. G. dann wieder eine
Milderung unter der Bonhomie Friedrich Wilhelms Il. und der gerechten
Hausväterlichkeit Friedrich Wilhelms III., im allgemeinen den Ratschlä-
zen der zuständigen Beamten folgend, offenbaren Ungerechtigkeiten einen
gewissen Widerstand entgegensetzend, nie aber eine eigene Initiative er-
greifend. |
Sehr viel wichtiger für die Staatslehre als durch diese immerhin
interessante Hervorhebung der Eigenart des monarchischen Staatswesens
ist die Geschichte der Judenemanzipation als Beleg für die Bedeutung der
allgemeinen Staatstheorien.
Die Rechtsstellung der preußischen Juden im 18. Jahrhundert ist be-
stimmt durch die Idee des Polizeistaats. Dabei ist zunächst von Bedeutung,
wie der Polizeistaat Entscheidendes vom Mittelalter übernommen, aber
seinem Wesen entsprechend verwertet hat. Vom Mittelalter hat er über-
nommen die prinzipielle staatsbürgerliche Eintrechtung der Juden. Diese
beruhte einerseits auf der religiösen Intoleranz des Mittelalters, die be-
sonders hinsichtlich der Juden gewiß nicht unbeeinflußt war von dem
kirchenrechtlichen Verbot des Zinsennehmens, durch das jene in eine wirt-
schaftlich vorteilbaftere Stellung kamen; sie beruhte andererseits auf dem,
mit der vielfältigen Zergliederung des öffentlichen Lebens in wechselsei-
tiger Ursüchlichkeit zusammenhängenden, gesunden, aber auch wenig weit
ausschauenden Egoismus in staatlicher, ständischer und genossenschatt-
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIII. 1/2. 19