Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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licher Hinsicht, der dem politischen und wirtschaftlichen Leben des Mittel- 
alters seinen Charakter aufgeprägt und für das Judenrecht in dem Institut 
der Kammerknechtschaft seinen prägnantesten Ausdruck gefunden hat. 
Das auf dieser Grundlage gewachsene Judenrecht wurde nun von dem 
Polizeistaat verarbeitet in seinem System der obrigkeitlichen Regelung des 
gesamten bürgerlichen Lebens im allgemeinen und des Wirtschaftsleben: 
nach den Grundsätzen des Merkantilismus im besonderen. Aus dem vom 
Mittelalter überkommenen rechtlichen Gedanken, daß die Juden im Staäte 
nur geduldete Fremde seien, ergab sich der andere, daß die eigentlichen 
Staatsbürger vor ihrer Konkurrenz geschützt werden müßten; aus der Idee 
des Merkantilismus, daß das ganze wirtschaftliche Leben vom Staate ge- 
regelt werden könne und müsse, verbunden mit derjenigen des Polizeistaat:. 
daß das geistige und leibliche Wohl der Untertanen zwangsweise vom 
Staat gefördert werden müsse, entsprang die weitere Konsequenz, daß jener 
Schutz durch zwangsweise wirtschaftliche Beschränkung herbeigeführt wer- 
den müsse. Es kam hinzu, daß die Juden, bei denen gewiß die lange 
Unterdrückung manche, nunmehr als Rasseeigentümlichkeiten aufgefaßte, 
degenerative Charakter-, vielleicht auch moralische, Defekte erzeugt hatte 
ganz allgemein als ordnungs- und sittengefährdende Elemente angesehen 
wurden. Der Darstellung von FREUND nun können wir manche Beispiele 
dafür entnehmen, wie der Polizeistaat sich der aus diesen gedanklichen 
Grundlagen ergebenden Aufgaben zu entledigen suchte. Der Grundstock 
des Judenrechts und seine ungeheuerlichste Maßregel waren die Maßnab- 
men zur Beschränkung der Bevölkerungszahl: das Verbot, mehr als eine 
bestimmte Anzahl von Kindern zu verheiraten („anzusetzen“). Um eich die 
ganze rechts- und kulturgeschichtliche Bedeutung dieser Maßregel zu ver- 
gegenwärtigen, muß man bedenken, daß sie noch bestand vor wenig über 
hundert Jahren, zu einer Zeit, da der Gedanke der Menschen- und Böürger- 
rechte als Rechtspostulat schon die ganze Kulturwelt erobert, als schen 
lange MONTESQUIEU es als die klarste Sache bezeichnet hatte, daß dir 
Bedrückung der Juden ein Schandfleck des Jahrhunderts sei. Und doch ist 
vom Standpunkt der damaligen Auffassung über die Juden einerseits und 
die Aufgabe des Staates andererseits jene Bevölkerungsbeschränkung der 
Juden nur ein ergänzendes, logisch konsequentes Gegenstück zu der Popu- 
lationstheorie mit der Tendenz, die eigentlich staatsbürgerlichen Arbeits- 
kräfte zu vermehren. Daß infolge der oben angedeuteten Auffassung von 
der sittlichen Minderwertigkeit der Juden der Staat sie von allen Staats- 
ämtern und amtsähnlichen Stellen, wie Lehramt, Chirurgie und Phyaikat. 
ausschloß, ist eigentlich selbstverständlich. Aus dem Prinzip, das Gewerbs- 
leben in den im Polizeistaat zu reinen Polizeianstalten gewordenen Zünften 
zu organisieren, ergab sich ferner in Verbindung mit dem Gedanken der 
Notwendigkeit, die eigentlichen Staatsangehörigen zwangsweise gegen die 
Konkurrenz der Juden zu schützen, ohne weiteres der prinzipielle Aus
	        
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