— 291] —
schluß der Juden von allen Handwerken außer solchen „wovon sich keine
Professionsverwandte und privilegierte Zünfte finden“. Aber auch im eigent-
lichen Handelsgewerbe waren die Juden aus demselben Grunde noch sehr
beschränkt: nur die besonders konzessionierten Schutzjuden durften offene
Läden und Buden halten; die anderen Schutzjuden mußten sich „mit dem
alten Kleiderkram oder dem ihnen sonst erlaubten Handel von Kleinig-
keiten und Trödelwaren*, dem Wechselverkehr und Pferdebandel begnügen ;
allen war der Hausierhandel und das Halten mehr als eines Ladens ver-
boten. Lediglich ein Ausbau des mittelalterlichen Systems war die starke
Belastung der Juden mit öffentlichen Abgaben: Schutzgeld, Leibzoll für
fremde Juden ganz allgemein, für Schutzjuden außerhalb ihrer Provinz,
Steigerung aller allgemeinen Abgaben usw.; dazu kamen allerband sinn-
reiche Einzelausnutzungen, wie Pflicht der „Silberlieferung“ an die Münze
zu einem bestimmten Preis, „Kalendergelder* an die Akademie, Zwang
später Ablösungsabgaben dafür) der Abnahme von Waren aus dem Pots-
damer Waisenhaus und ähnliches mehr, was nur für das System des Juden-
rechts als besondere Erscheinung des Polizeistaats überhaupt, nicht dessen
einzelne Grundsätze, typisch ist. Hierfür sind interessanter einerseits solche
Rechtsvorschriften, die für die Besonderheiten des preußischen Staates
charakteristisch sind, wie die Pflicht zur Lieferung des „Rekrutengeldes*
als Beitrag zur Besoldung der „langen Kerls“, und solche andererseits, die
sich klar als Folge der Grundsätze des Merkantilismus darstellen. Als
solche finden wir besonders zwei Anordnungen, die sich aus der Bilanz-
theorie des Merkantilismus erklären, möglichst viel Produkte zu exportie-
ren, Geld zu importieren. Es ist aber in ihnen in höchst interessanter
Weise mit diesem Gedanken des Merkantilismus die Tendenz der Bevöl-
kerungsbeschränkung der Juden verbunden. Diese Tendenz hatte Friedrich
d. G. dahin geführt, den Juden nur die Ansetzung eines Kindes zu ge-
statten. Infolge der Geldknappheit nach dem siebenjährigen Kriege wurde
der Judenschaft gegen Erlegung von 70000 Talern das Recht der An-
setzung eines zweiten Kindes eingeräumt. Wer sich aber auf das Recht
des zweiten Kindes ansetzen wollte, mußte für 1500 Taler jährlich inlän-
dische Manufakturerzeugnisse exportieren. Desgleichen mußten bei be-
stimmten Anlässen, zu denen jede Art von Ansetzung gehörte, die Juden
der Königl. Porzellanmanufaktur für einige hundert Taler Waren entneh-
men und im Auslande absetzen. Die Zulassung neuer Schutzjuden wurde
von der Bedingung abhängig gemacht, daß sie Fabriken errichteten. Hängen
alle diese Lasten mit dem typischen Polizei- und Wirtschaftssystem des
Polizeistaats zusammen, so ist die letzte und entehrendste Institution des
Judenrechts: die solidarische Haftung jeder Gemeinde für Diebstähle und
Hebhlerei eines ihrer Mitglieder, lediglich eine Folge der vom Mittelalter
überkommenen Vorstellung von der moralischen Minderwertigkeit der
Juden. Doch stehen mit dieser Institution in Zusammenhang auch typisch
19*