Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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schluß der Juden von allen Handwerken außer solchen „wovon sich keine 
Professionsverwandte und privilegierte Zünfte finden“. Aber auch im eigent- 
lichen Handelsgewerbe waren die Juden aus demselben Grunde noch sehr 
beschränkt: nur die besonders konzessionierten Schutzjuden durften offene 
Läden und Buden halten; die anderen Schutzjuden mußten sich „mit dem 
alten Kleiderkram oder dem ihnen sonst erlaubten Handel von Kleinig- 
keiten und Trödelwaren*, dem Wechselverkehr und Pferdebandel begnügen ; 
allen war der Hausierhandel und das Halten mehr als eines Ladens ver- 
boten. Lediglich ein Ausbau des mittelalterlichen Systems war die starke 
Belastung der Juden mit öffentlichen Abgaben: Schutzgeld, Leibzoll für 
fremde Juden ganz allgemein, für Schutzjuden außerhalb ihrer Provinz, 
Steigerung aller allgemeinen Abgaben usw.; dazu kamen allerband sinn- 
reiche Einzelausnutzungen, wie Pflicht der „Silberlieferung“ an die Münze 
zu einem bestimmten Preis, „Kalendergelder* an die Akademie, Zwang 
später Ablösungsabgaben dafür) der Abnahme von Waren aus dem Pots- 
damer Waisenhaus und ähnliches mehr, was nur für das System des Juden- 
rechts als besondere Erscheinung des Polizeistaats überhaupt, nicht dessen 
einzelne Grundsätze, typisch ist. Hierfür sind interessanter einerseits solche 
Rechtsvorschriften, die für die Besonderheiten des preußischen Staates 
charakteristisch sind, wie die Pflicht zur Lieferung des „Rekrutengeldes* 
als Beitrag zur Besoldung der „langen Kerls“, und solche andererseits, die 
sich klar als Folge der Grundsätze des Merkantilismus darstellen. Als 
solche finden wir besonders zwei Anordnungen, die sich aus der Bilanz- 
theorie des Merkantilismus erklären, möglichst viel Produkte zu exportie- 
ren, Geld zu importieren. Es ist aber in ihnen in höchst interessanter 
Weise mit diesem Gedanken des Merkantilismus die Tendenz der Bevöl- 
kerungsbeschränkung der Juden verbunden. Diese Tendenz hatte Friedrich 
d. G. dahin geführt, den Juden nur die Ansetzung eines Kindes zu ge- 
statten. Infolge der Geldknappheit nach dem siebenjährigen Kriege wurde 
der Judenschaft gegen Erlegung von 70000 Talern das Recht der An- 
setzung eines zweiten Kindes eingeräumt. Wer sich aber auf das Recht 
des zweiten Kindes ansetzen wollte, mußte für 1500 Taler jährlich inlän- 
dische Manufakturerzeugnisse exportieren. Desgleichen mußten bei be- 
stimmten Anlässen, zu denen jede Art von Ansetzung gehörte, die Juden 
der Königl. Porzellanmanufaktur für einige hundert Taler Waren entneh- 
men und im Auslande absetzen. Die Zulassung neuer Schutzjuden wurde 
von der Bedingung abhängig gemacht, daß sie Fabriken errichteten. Hängen 
alle diese Lasten mit dem typischen Polizei- und Wirtschaftssystem des 
Polizeistaats zusammen, so ist die letzte und entehrendste Institution des 
Judenrechts: die solidarische Haftung jeder Gemeinde für Diebstähle und 
Hebhlerei eines ihrer Mitglieder, lediglich eine Folge der vom Mittelalter 
überkommenen Vorstellung von der moralischen Minderwertigkeit der 
Juden. Doch stehen mit dieser Institution in Zusammenhang auch typisch 
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