Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

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deren Vorarbeiten wir doch nicht entbehren können. Da ist es nun eine 
interessante Erscheinung, daß, so sehr wir davon überzeugt eind, eine 
Feststellung dessen, was recht ist, lediglich unter den Gesichtspunkten 
einer bewährten Uebung oder einer nach politischem Werturteil ermessenen 
Zweckmäßigkeit wäre völlig unjuristisch und würde das Ende des Staats- 
rechts bedeuten, wir doch umgekehrt in der Betrachtung des eng- 
lischen Rechts nie zu einer gänzlichen Ausschaltung politischer Ideen 
kommen. Die Vorstellung vom englischen Recht als einer idealen Ver- 
wirklichung der bürgerlichen Freiheit — jene Vorstellung, die nach 
1807 die führenden Geister zweifeln ließ (welch’ seltsame Erinnerung 
heuer!), ob das Ziel der Freiheit nicht besser mit dem sicheren staats- 
rechtlichen Anschluß an England als mit der ungewissen Erkämpfung 
nationaler Selbständigkeit zu erreichen sei — sie wirkt noch heute fort. 
obwohl wir wissen, wie manche staatsrechtliche Erkenntnisfehler sie uns 
von MONTESQUIFU bis zu GNEIST gebracht hat. Die vorliegende Arbeit 
K.s beruht auf dem Gedanken, daß auch in dem heutigen Stadium unserer 
Beurteilung des englischen Verwaltungsrechts, wie es von REDLICH be- 
gründet worden ist und an Stelle der GneEistschen Selbstverwaltungs- 
idee die demokratische Idee setzen zu müssen glaubte, ein solcher Erkennt- 
nisfehler stecke. Verf. unternimmt deshalb den Nachweis, daß infolge des 
Glaubens an jene politische Idee ein anderes Moment des Rechtslebens 
übersehen worden sei, nämlich die starke Entwicklung der modernen Zen- 
tralgewalt sowohl in ihrer verwaltungsorganisatorischen Bedeutung wie 
als Rechtsschutzmittel des Verwaltungsrechts. Tatsächlich spricht das 
vorgeführte Material sehr für die Bedeutung dieses Elementes der eny- 
lischen Rechtsentwicklung. 
Die Formen der Organisation der modernen englischen Verwaltung. 
deren Untersuchung der erste der beiden Hauptabschnitte des Buches ge- 
widmet ist, zeigen in der Lokalverwaltung ein Nebeneinander altüberkom- 
mener und moderner Institutionen. Das altüberkommene Element in der 
Lokalverwaltung ist das Institut des Friedensrichters, das zwar wesentlich 
den modernen Bedürfnissen entsprechend modifiziert ist, aber doch noch 
in den Resten seiner traditionellen Eigenart wegen der bedeutenden Rolle, 
die es immer noch in Verwaltung und Rechtsprechung spielt, ein fremdes 
Element in der modernen Organisation darstellt. Fs ist dies aber nicht 
nur organisatorisch und politisch der Fall, sondern m. E. ebenso, wie Verf. 
bei Untersuchung auch dieser Seite der Frage wahrscheinlich hätte fest- 
stellen können, rechtssystematisch und rechtshistorisch, und das zwar in 
einer Weise, die vielleicht, wie noch anzudeuten sein wird, auch in anderen 
Zusammenhängen den Schlüssel für wesentliche BEigenarten des englischen 
öffentlichen Rechts gibt. Das Friedensrichteramt ist seinem Ursprung und 
seiner Natur nach ein typisches Institut des ständischen Staates. Die ur- 
sprünglichen Gegengewichte gegen die Ernennung des Friedensrichters
	        
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