Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

— 308 — 
nicht zu dem prinzipiellen Resultat des kontinentalen Rechts gelangt ist: 
gewisse Störungen sind derart, daß sie die Fürsorzepflicht des Staates 
mittels der allein diesem Zwecke dienenden Polizeigewalt ohne weiteres in 
Aktion treten lassen, andere so, daß sie nur den Einzelnen betreffen und 
es diesem überlassen bleiben muß, ob er die Störung oder ein Eingreifen 
des Staates lästiger empfindet; ersteres ist das Gebiet des Verwaltungs- 
rechts, letzteres das des Zivilrechts. Damit hängt dann aber auch zusam- 
men, daß im englischen Polizeirecht viel weniger die scharfe Antithese 
eine Rolle spielt. auf die sich unser ganzes Verwaltungsrecht aufbaut: 
Fürsorgepflicht des Staates auf der einen Se’te, Freiheitsanspruch des ein- 
zelnen auf der anderen Seite. So ist also das englische Polizeirecht fast 
in seinen sämtlichen formellen Wesenszügen von dem unsrigen 80 ver- 
chieden, wie sich das überhaupt nur denken läßt, und vielleicht mehr, als 
irgend ein anderer Zweig des englischen Verwaltungsrechts. Und doch 
hat das englische Rechtsleben. obwohl ihm ja die wesentliche Grundlage 
unseres Polizeirechts. eine einheitliche Polizeigewalt fehlt, Rechtssätze über 
die materielle Zulässigkeit polizeilicher Beschränkungen ausgebildet, die 
eine auffallende Aehnlichkeit mit unseren „Grenzen der Polizeigewalt* 
zeigen. Für allgemeine polizeiliche Anordnungen zunächst kennt das eng- 
lische Recht eine Reihe von Erfordernissen, die vollständig mit denjenigen 
unseres Rechts übereinstimmen. Das Erfordernis, daß eine solche Anord- 
nung legi consona sein muß, ist nichts anderes als unser Vorbehalt des 
Iresetzes: sie darf nicht einer gesetzlichen Vorschrift widersprechen, aber 
sie darf auch nicht auf eine vom Gesetz bereits ergriffene Materie sich er- 
strecken. Das Erfordernis der Bestimmtheit des Inhalts spielt im englischen 
Polizeirecht dieselbe Rolle wie im deutschen und französischen Recht: es 
gilt deshalb als rechtswidrig. das allgemeine Verbot absichtlicher Belästi- 
gungen von Straßenpassanten im Gegensatz zu demjenigen spezifizierter 
belästigender Handlungen. Desgleichen ist von Bedeutung das vom fran- 
zösischen ‚Recht besonders stark betonte, aber auch von der deutschen 
Juriseprudenz anerkannte Erfordernis der Gleichheit: als unrechtmäßig wird 
deshalb angesehen das Verbot des Handels nur für eine bestimmte Kate- 
sorie von Kaufleuten in einem bestimmten Stadtviertel. Aber auch alle 
anderen wichtigen Grundsätze unseres Polizeirechts kommen im englischen 
Recht zur Geltung. Die Polizei darf sich zur Beseitigung einer Störung 
nur an den Störer wenden: unzulässig ist deshalb ihre Anordnung, daß 
eine Person nicht dulden oder veranlassen darf. ‚daß eine Menschenmenge 
Lartenanlagen betritt, oder (was für unsere Auffassung befremdender er- 
scheint), daß Eltern nach einer bestimmten Stunde ihre Kinder nicht mehr 
im Straßenhandel tätig sein lassen sollen. Und wie den Grundsatz der Ab- 
webr nur gegen den Störenden kennt das englische Recht auch den anderen 
(von dem jener eigentlich nur die Konsequenz ist, vgl. Arch. f. öffl.R. XXVII 
223 f.) der Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Abwehrmaßregeln: als unrea-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.