Full text: Archiv des öffentlichen Rechts. 33. Band. (33)

— 305 — 
auch, die das Uebermaß zu einem rechtlichen Mangel desselben macht, da 
eine mehr als das zur Erreichung der polizeilichen Zwecke Notwendige 
verlangende Auflage unreasonable ist. Umgekehrt findet der Grundsatz 
der Gleichheit, wie im deutschen und französischen Rechte, seine Ergän- 
zung in demZweck des polizeilichen Handelns, indem eine Ungleichheit in der 
Bedeutung sonst gleichartiger Fälle für die polizeilich zu schützenden In- 
teressen eine Ungleichheit ihrer polizeilichen Behandlung bedingt: so ist das 
oben erwähnte Verbot des Handels für eine bestimmte Kategorie von Kauf- 
leuten in einem bestimmten Stadtviertel zwar wegen des Grundsatzes der 
Gleichheit als rechtswidrig angesehen worden, allein ausdrücklich nur des- 
halb, weil es nicht durch das Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ge- 
sundheit erfordert war. In der Bedeutung des Zweckmomentes für die 
rechtliche Zulässigkeit des polizeilichen Handelns ist es ja überhaupt be- 
dingt, daß sich a priori nie die Polizeiwidrigkeit eines einzelnen Tatbe- 
standes feststellen läßt. Wenn sich deshalb die englische Judikatur so da- 
gegen sträubt, die nuisance zu definieren, und in unzühligen Entscheidungen 
und unendlichen Variationen alles auf die Verhältnisse des Ortes, der 
Zeit usw. abstellt („What would be a Nuisance in Belgrave Square would 
not necessarly be a nuisance in Bermondsey*), so ist das nichts anderes 
als das, was ebenso häufig, ausdrücklich oder stillschweigend, die deutsche 
und französische Judikatur anerkannt hat. Es beweist gerade die große 
und fast ausschließliche Bedeutung der Zwecke des polizeilichen Handelns 
für dessen Berechtigung. Daß diese durch die Idee der nuisance bestimm- 
ten Zwecke dieselben sind wie in unserem Recht, zeigt sich außer in dem 
bereits Erwähnten in dem Unterschied, den das englische Recht zwischen 
der eigentlichen nuisance und dem damnum sine injuria macht. Diese 
Unterscheidung ist wesentlich nichts anderes als die des preußischen 
Rechts zwischen „Störung“ und bloßer „Belästigung“, denn maßgebend ist 
allein das quantum of damnum. Das zeigt sich besonders stark in der 
Materie des polizeilichen Schutzes vor Lärm. Zur Zulässigkeit des polizei- 
lichen Einschreitens zu diesem Zwecke fordert das englische Recht nicht, 
wie formell das preußische, eine Gefahr für Leben und Gesundheit, sondern 
es genügt ihm, wenn ordinary comfort of human existence be materially 
interfered with. Wer aber weiß, wie weitherzig unsere Rechtsprechung in 
der Annahme einer Gesundheitsgefahr für unsere nervöse Menschheit ist, 
und wie die Theorie schon jetzt prinzipiell das Schutzbedürfnis gegen Lärm 
anerkennt (besonders FLEINER, Institutionen $ 23, 3. Aufl. S. 371), weiß, 
daß praktisch ein Unterschied zwischen dem englischen und preußischen 
Rechtszustand nicht vorhanden ist. Und gerade hier nun zeigt sich auch 
die Tebereinstimmung in der Ablehnung aller eudämonistisch gedachten 
polizeilichen Handlungen zur Abwehr solcher Dinge, die für die Allgemein- 
heit bloße ästhetische Belästigungen und nur für ganz besonders sensihle 
Archiv des Öffentlichen Rechts. XXXIII. 1/2. 20
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.