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sowohl mancherlei Unklarheiten gelassen, als auch mancherlei politisch
einseitige Vorschriften aufgenommen hat. Zu diesen Unklarheiten gehört
z. B. die durch das Fehlen einer Vorschrift über die ministerielle Kontra-
signatur monarchischer Regierungshandlungen entstandene Frage nach der
Rechtsgültigkeit derartiger Akte, die Verf. nicht wie CosAck schlechthin
verneint, sondern m. E. zwar juristisch mit Recht, aber praktisch recht
unbefriedigend von der Rechtsgewohnheit für die einzelnen Arten von
Akten abhängig macht. Zu den einseitigen Vorschriften rechne ich z. B.
das den Ständen in der Verfassung auferlegte Verbot, mit anderen Behör-
den als mit den Ministerien oder den Landtagskommissären ins Benehmen
zu treten, verbunden mit dem darauf gestützten Befehl des Ministeriums an
alle Beamten, schlechterdings keine Mitteilungen an einzelne Mitglieder der
Ständeversammlung zu machen: war jene Verfassungsvorschrift rechtlich nur
eine doktrinäre Folgeziehung aus der Gewaltenteilungstheorie, so war diese
Ministerialverfügung eine politisch einseitige Ausnutzung der Beamtendis-
ziplin zur Lahmlegung der parlamentarischen Verwaltungskontrolle Ob
zu den rein technischen, auf mangelnder Erfahrung beruhenden, Unvoll-
kommenheiten der Verfassung auch die selbstverständliche Verwendung des
doch erst mit dem Beginn einer konstitutionellen Staatsordnung seinen
spezifischen Wert erhaltenden Begriffes des „Gesetzes* gehört, mag hier
dahingestellt bleiben, denn es ist fraglich, ob jene Selbstverständlichkeit
nicht doch damals — angesichts der allgemeinen konstitutionellen Auffas-
sungen — das Richtige war, und die Schwierigkeiten, die besonders in
der preußischen Staatsrechtslehre eine Rolle spielen, nicht überhaupt erst
später in die Frage hineingetragen worden sind. Im hessischen Staaterecht
ist für die Abgrenzung zwischen formeller Gesetzgebung und landesherr-
lichem Verordnungsrecht von Bedeutung außer jener allgemeinen Frage
nach dem Begriff „Gesetz“ die besondere, nach den Begriffen der „Voll-
streckung und Handhabung“ der Gesetze, die nach Art. 75 der Verfassung
für das landesherrliche Verordnungsrecht bestimmend ist. Für die Aus-
legung dieser letzteren Begriffe wäre mı. E. mit einer mehr rechtshisto-
rischen Untersuchung vielleicht manches zu gewinnen gewesen, jedenfalls
aber hätte eine solche Untersuchung für die Geschichte des staatsrecht-
lichen Denkens auf die Spur höchst interessanter Zusammenhänge geführt.
Der Begriff der „Vollstreckung und Handhabung“ stellt sich nämlich dar
als eine Mischung aus gedanklichen Elementen der konstitutionellen Theorie
einerseits und des älteren positiven deutschen Staatserechts andererseits.
Den damals herrschenden liberalen Staatsrechtstheorien entnommen ist. der
Begriff der „Vollstreckung“ der Gesetze: ihre Uebertragung an den Landes-
herrn ist die Anerkennung des pouvoir executif im Sinne der Gewalten-
trennungstheorie. Der Begriff der „Handhabung“ hingegen entstammt dem
alten deutschen Staatsrechte.e. Das „Handhaben“ der Gesetze wird in den
Wahlkapitulationen der deutschen Kaiser gleichbedeutend gebraucht mit