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älteren deutschen Staatsrechte, auf den ich soeben im Gegensatze zu VAN
CALKER glaubte hinweisen zu müssen, ist von ihm selbst in einer anderen,
praktisch viel wichtigeren Frage, nämlich der des Budgetrechte, hervorge-
hoben und in seinen Wirkungen sehr sorgsam herausgearbeitet worden.
Wenn er sagt, daß der die Grundlagen aller parlamentarischen Befugnisse
auf diesem Gebiete bildende Art. 67 I HV. („Ohne Zustimmung der Stände
kann keine direkte oder indirekte Auflage ausgeschrieben oder erhoben wer-
den“) nichts anderes statuiert als das Steuerbewilligungsrecht der alten Land-
stände, go möchte ich dem nur in Zusammenhang mit oben Gesagtem hin-
zufügen, daß gerade in der offiziellen Auffassung und Behandlung der
Materie die Reminiszenzen des ständischen Staatsrechts besonders deutlich
zum Ausdruck kommen: von Anfang an heißt es ganz im dualistischen
Sinne des ständischen Staates in der Präambel der hessischen Finanzge-
setze, daß der Großherzog über die Art und Weise, wie die im Wege der
Besteuerung zu deckenden Summen aufgebracht werden sollten, mit den
Landständen „übereingekommen“ sei. Hochinteressant ist die vom Verf.
gegebene Darstellung, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann,
wie in der Entwicklung des Staatslebens praktisch die Beschränkung des
parlamentarischen Einflusses im Finanzrechte allmählich an Bedeutung ver-
loren hat, wenn sie auch prinzipiell bestehen geblieben ist. Nur in einem
Punkte scheint mir noch eine juridische Klärung nötig. Die hessischen
Finanzgesetze enthalten den stereotypen Passus, daß die Staatsausgaben
auf die verschiedenen Verwaltungszweige so verwendet werden sollen, wie
deren Bedürfnisse von den Ständen bewilligt worden sind. Nach Ansicht
des Verf. hat das „zweifellos nicht die Anerkennung eines verfassungs-
mäßigen Ausgabebewilligungsrechtes der Stände*. Ich meine zunächst,
wenn tatsächlich — wie Verf. sagt — seit 1821 konstant der Ausgaben-
disposition des Parlaments Rechtserheblichkeit beigelegt ist, könne doch
ein Gewohnheitsrecht in Betracht kommen, Aber selbst wenn das verneint
werden müßte, hat dann jener Passus der Finanzgesetze wirklich nur, wie
Verf. annimmt, die Bedeutung eines in der feierlichen Form des Gesetzes ab-
gegebenen „Versprechens“ der Regierung, also gar keine rechtliche Be-
deutung? Ein Gesetz im Sinne des Art. 72 HV. ist er freilich nicht, denn
er ist ohne Zustimmung der Landstände ergangen. Andererseits erscheint
aber doch der Gedanke eines rechtlich unerheblichen Monologes des Lan-
desherrn in einem formellen Gesetze als etwas staatsrechtlich Gekünsteltes,
entsprungen, den folgenden Generationen und zum Teil noch der heutigen
Staatsrechtslehre als ein wertloses staatsphilosophisches Selbstgespräch des
Gesetzgebers erschien, während er tatsächlich eine in der damaligen Staate-
rechtslehre streitige Rechtsfrage, deren eminente praktische Bedeutung wir
erst jetzt ganz erkannt haben, positivrechtlich entschieden hat; vgl. auch
unten Anm. 2.